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Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten

Die Ausübung von Polizeigewalt gilt als typische Aufgabe der Exekutive. Dennoch bricht das Grundgesetz an wichtiger Stelle mit dieser Zuordnung – und gesteht dem Deutschen Bundestag neben dem Hausrecht auch die eigenverantwortliche Ausübung der Polizeigewalt innerhalb seiner Liegenschaften zu. Die Verfassungen der Länder übertragen den Landtagen oder Bürgerschaften bzw. dem Abgeordnetenhaus ähnliche Kompetenzen. In den Volksvertretungen sind daher nicht Bundes- oder Landesregierungen, sondern die jeweiligen Parlamentspräsidenten Hüter von Recht und Ordnung.

Diese Kompetenzverlagerung mag bei historischer Betrachtung nicht zu Unrecht wie eine Lehre aus dem allzu leichten Vordringen von "SA" und preußischer Polizei in den Reichstag im Zuge der der NS-"Machtergreifung" wirken. Die in der Literatur als "Akzentuierung der Parlamentsautonomie" bezeichnete besondere Aufgabenzuweisung an die Legislative ist allerdings auch in anderen Staaten Europas und weltweit wiederzufinden. So üben die "Sergeants-at-Arms" von US-Senat und -Repräsentantenhaus nicht nur die Polizeigewalt innerhalb des Kongresses aus, sondern sollen nach Literaturstimmen auch als einzige den Präsidenten der Vereinigten Staaten in Arrest nehmen können.

Die Dissertation soll untersuchen, woraus die beschriebene Sonderstellung innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik erwachsen ist. Ferner sollen am Beispiel des Bundestages sowie ausgewählter Parlamente der deutschen Länder die Organisation und Aufgaben der eingesetzten Kräfte analysiert werden. In diesem Zuge wird auch zu erörtern sein, ob die Ausübung der Polizeigewalt durch Parlamentspräsidenten heutigen rechtlichen wie tatsächlichen Anforderungen noch genügen kann. So erfordern die dauerhaft angespannte Sicherheitslage und zunehmend digitale Straftaten einerseits eine besonders funktionale Vernetzung der Sicherheitsorgane. Hinzu kommt Kritik an der Einsatzfähigkeit der Parlamentspolizeien, zuletzt bei der versuchten Erstürmung des Reichstagsgebäudes im Herbst 2020 durch sog. "Querdenker" sowie angesichts des erfolgreichen Sturms auf das US-Kapitol Anfang des Jahres 2021. Andererseits spricht der sich aktuell in vielen (demokratischen) Staaten vollziehende Rückbau von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung für die Beibehaltung besonderer Abwehrrechte der gewählten Volksvertretungen.