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Die Verfassungstreuepflicht im Richterverhältnis – Über Umfang und Grenzen staatlicher Maßnahmen

Die Gewähr dafür zu bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, ist Voraussetzung für die Berufung in das Richterverhältnis und das Verbleiben nach erfolgter Ernennung. Das Erfordernis dieser Verfassungstreue stellt ein – für alle Rechtsstaaten selbstverständliches – Eignungsmerkmal i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG dar.

Bereits in den durch den sog. Radikalenerlass geprägten 1970er-Jahren kam es zu einer Vielzahl an rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen darüber, wie weit der Staat bei der Eindämmung der von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst ausgehenden Gefahr gehen darf oder sogar muss. Ausgangspunkt derartiger Überlegungen ist, dass Bedrohungen für den Staat auch von innen heraus in personeller Hinsicht erfolgen können.

Aktuelle Schwachstellen bezogen auf die Einhaltung der Verfassungstreuepflicht zeigten sich nicht zuletzt anhand der Großrazzia vom 7. Dezember 2022 gegen der Reichsbürgerbewegung und Rechtsextremen zugeordnete Personen. Im Zuge der folgenden Aushebung des Verschwörerkreises (sog. Gruppe Reuß) erwies sich auch eine aktive Berufsrichterin als der Gruppe zugehörig. Mit Nachdruck werden seitdem taugliche Maßnahmen zum Umgang mit Staatsbediensteten nach Aufdecken und Bekanntwerden von verfassungsfeindlichen Bestrebungen thematisiert.

Die Dissertation widmet sich dem Spannungsverhältnis zwischen der Gewährleistung der wehrhaften Demokratie, staatlichen Sicherheitsinteressen sowie staatsschutzrelevanten richterlichen Amtspflichten einerseits und der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit, dem Rechtsstaatsprinzip sowie den Grundrechten andererseits. Zentral sind dabei die Grenzen zulässigen inner- sowie außerdienstlichen Verhaltens von Richterinnen und Richtern am Maßstab der dienstrechtlichen Pflichten zu ziehen. Zudem geht die Arbeit der Frage nach, inwieweit eine Überprüfung der Einhaltung der Verfassungstreuepflicht bereits stattfindet bzw. zu erfolgen hat und wie bei einem etwaigen Verstoß zu verfahren ist.

Am Beispiel ausgewählter landes- und bundesrechtlicher Vorschriften wird zu erörtern sein, ob die aktuelle Ausgestaltung des Maßnahmenkatalogs zum Umgang mit (mutmaßlich) verfassungsfeindlichen Richterinnen und Richtern rechtlichen Anforderungen genügt und inwiefern es neuer Instrumente zum Schutz der wehrhaften Demokratie und des Rechtsstaats bedarf. Neben dem Berufsrichterverhältnis wird darüber hinaus die Rechtslage um die Verfassungstreuepflicht der rund 40.000 ehrenamtlichen Richterinnen und Richter an den bundesweiten Gerichten beleuchtet.