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Lockruf der Fördertöpfe

Die Ampel will der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Staatsgelder verwehren. Dazu eilt die Bürgerbewegung Campact nun mit einem Gesetzesvorschlag voraus.

 

Karlsruhe – Politiker kritisieren das Bundesverfassungsgericht gelegentlich als „Ersatzgesetzgeber“ – meist dann, wenn sie mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Weniger offenkundig ist der umgekehrte Fall: Manchmal ducken Regierung und Parlament sich weg, in der Hoffnung, dass das Gericht den Job übernimmt, eine schwierige Frage zu klären. Derzeit ist in Karlsruhe eine Klage der AfD anhängig, die der Desiderius-Erasmus-Stiftung Zugang zu den Fördermillionen für parteinahe Stiftungen verschaffen will. Das Problem rollt auf den politischen Betrieb zu, seit die AfD 2017 erstmals in den Bundestag eingezogen ist.

Zeit genug also, um zu regeln, ob der Staat auch politische Bildung mit einem fragwürdigen Verhältnis zur Verfassung fördern soll. Und um die nur per Haushaltsvermerk geregelte Geldvergabe auf eine solide gesetzliche Grundlage zu stellen. Doch der Gesetzgeber blieb regungslos und wartet nun darauf, dass Karlsruhe ihm den Regelungsauftrag erteilt. Das dürfte durch ein Urteil in einigen Wochen geschehen. So klang es jedenfalls in der Karlsruher Verhandlung Ende Oktober.

In diese Phase der Untätigkeit fällt nun ein Anstoß aus der Zivilgesellschaft. Im Auftrag der Bürgerbewegung Campact hat Markus Ogorek, Professor für Öffentliches Recht in Köln, einen Vorschlag für ein Parteienstiftungsgesetz ausformulierten, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Mit 19 Paragrafen bietet er eine ausführliche Begründung, ganz wie ein echter Gesetzentwurf. „Wir sehen das als einen Anstoß, dass die Politik eine ernsthafte Debatte startet und endlich ins Handeln kommt“, sagt Campact-Geschäftsführer Felix Kolb.

Natürlich zielt der Vorschlag darauf ab, die Desiderius-Erasmus-Stiftung vom insgesamt 660 Millionen schweren Fördertopf fernzuhalten. Voraussetzung einer Förderung wäre danach die „jederzeit aktive Unterstützung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere unter Beachtung der Würde des Menschen und der Gleichberechtigung“, wie es in Paragraf 2 heißt. In der Begründung wird dann ausbuchstabiert, wie eine förderungswürdige Stiftung nicht aussehen darf. Rassismus, Antisemitismus, ethnische oder religiöse Diskriminierung, Benachteiligung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Identität, dafür darf es kein Staatsgeld geben. Gäbe es so ein Gesetz, hätten Gerichte einen klaren Maßstab, an dem sie AfD-nahe oder andere Stiftungen messen könnten.

Der Vorschlag geht, wie auch das bisher maßgebliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986, von einer klaren Trennungslinie zwischen Partei und Stiftung aus. „Parteinahe Stiftungen müssen rechtlich und tatsächlich unabhängig“ sein von der Partei, heißt es dort, die Mehrheit ihrer Gremienmitglieder dürfe weder ein politisches Mandat noch ein Parteiamt innehaben. Ob Karlsruhe heute andere Gewichte setzt, wird man sehen. In der Anhörung war immerhin ein tendenzieller Widerspruch angemerkt worden: „Wie kann man parteinah unabhängig sein?“, fragte der als Sachverständiger geladene Lüneburger Politikwissenschaftlers Michael Koß.

Jedenfalls wird im Campact-Vorschlag eines deutlich: Die Frage „Geld oder nicht Geld“ muss sich zuerst am Programm und Auftreten der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) entscheiden – und nicht am Gebaren der AfD. Nur wenn die Partei für verfassungswidrig erklärt würde, fiele die Stiftungsförderung automatisch weg. Allein die Beobachtung durch den Verfassungsschutz als Verdachtsfall hingegen genügt dem Vorschlag zufolge nicht, um die Förderung vorzuenthalten.

  „Man muss die Stiftung in den Blick nehmen, wenn man den Trennungsgrundsatz ernst nimmt“, sagt Ogorek. Keine Sippenhaft also. Andererseits: Tut sich eine Partei etwa durch hetzerische, rassistische Äußerungen hervor, könnte das laut Ogorek Querwirkungen haben. „Allerdings ist ein gewisser Begründungsaufwand nötig, um plausibel zu machen, warum Aussagen der Partei der Stiftung zuzurechnen sein sollen – etwa, weil sie Positionen der Partei übernommen hat.“ Zuständig für die Prüfung der Förderwürdigkeit soll dem Entwurf zufolge der Bundestagspräsident sein. Er solle berechtigt sein, Erkundigungen bei Verfassungsschutz, Justiz und Polizei einzuholen sowie Gutachten in Auftrag zu geben.

Zugleich geht der Vorschlag aber über den aktuellen Konflikt hinaus. Er regt eine jährliche Obergrenze für die seit 20 Jahren stark gestiegene Stiftungsfinanzierung an, ähnlich wie bei der Parteienfinanzierung; einen konkreten Betrag nennt die Organisation nicht. Zudem soll die Verteilung der Gelder transparenter gestaltet werden. Die Hälfte soll als Zuschuss entsprechend dem Gewicht der nahestehenden Partei gewährt werden, dazu ein Drittel als Grundfinanzierung. Zwei weitere Drittel sollen als projektbasierte Fördermittel offen ausgeschrieben werden – und zwar für alle parteinahen Stiftungen. „Wir wollen damit einen Ideenwettbewerb der Stiftungen anstoßen“, sagt Ogorek. 

Entscheiden soll ein Bundesstiftungsbeirat, dessen Mitglieder vom Bundestag gewählt würden. Ein unabhängiges Gremium – aber eben politisch zusammengesetzt und vielleicht doch nicht ganz neutral. Ein Problem? Ogorek wiegelt ab. Besser als die bisherige Praxis der undurchsichtigen Geldvergabe sei das allemal.
 

Medium: Süddeutsche Zeitung
Datum: 14.01.2023
Autor: Wolfgang Janisch