zum Inhalt springen

Endlich ein Stiftungsgesetz – aber Verfassungsrechtler haben Vorbehalte

Bis zu 700 Millionen Euro fließen jährlich an die parteinahen Stiftungen von Union, SPD, Grünen, FDP und Linken – ohne eigene Gesetzesgrundlage. Dafür brauchte es eine Klage der AfD. Jetzt liegt ein Entwurf vor: Juristen melden Bedenken an, was die Voraussetzungen für die Finanzierung angeht.

 

Es ist durchaus erstaunlich, dass es erst eine Klage der AfD und ein darauffolgendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts brauchte, um die Finanzierung der politischen Stiftungen mit einem eigenen Gesetz zu regeln. Schließlich geht es um gewaltige Summen, die die parteinahen Stiftungen von SPD, Union, Grünen, FDP und Linken jährlich erhalten. Im Haushaltsjahr 2023 beläuft sich die Förderung durch den Bund auf insgesamt 697 Millionen Euro – ein neuer Höchststand. Im noch nicht beschlossenen Haushaltsplanentwurf für 2024 ist eine ähnliche Summe vorgesehen.

Die Ampel-Fraktionen stehen nun kurz vor der Einigung auf ein Stiftungsfinanzierungsgesetz. Der Entwurf liegt WELT vor. Er enthält an wenigen Stellen noch Anmerkungen und soll vor der Einbringung in den Bundestag zudem mit den Fraktionen von CDU/CSU und Linke abgestimmt werden. 

Demnach sollen die Stiftungen für die Finanzierung künftig vier Voraussetzungen erfüllen. So müsse die der Stiftung nahestehende Partei „in der mindestens dritten aufeinanderfolgenden Legislaturperiode in Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag vertreten“ sein. „Unschädlich“ soll es hier aber sein, wenn eine Partei für die Dauer einer Legislaturperiode nicht oder nicht mehr in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten ist.

Die nahestehende Partei dürfe zudem nicht von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen sein. Die Stiftung selbst dürfe nicht darauf ausgerichtet sein, einen der im Bundesverfassungsschutzgesetz genannten Verfassungsgrundsätze „zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen“. Eine solche Ausrichtung sei in der Regel anzunehmen, wenn die politische Stiftung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch eingestuft wird, heißt es im Entwurf weiter. 

Zudem müsse die Stiftung „in einer Gesamtschau die Gewähr (bieten), für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten“. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hierzu, dass das Grundgesetz eine „Grundentscheidung für die wehrhafte Demokratie und für ein friedliches Zusammenleben der Völker“ treffe und das geforderte aktive Eintreten vor diesem Hintergrund „verfassungsrechtlich möglich und politisch geboten“ sei. 

„Verfassungsrechtlich sehr angreifbar“

Strittig ist hier noch, ob der entsprechende Absatz noch genauer formuliert wird. Die SPD-Fraktion hat nach WELT-Informationen im Gespräch mit den Berichterstattern von Union, Grünen, FDP und Linken konkrete Anhaltspunkte für die „Gesamtschau“ vorgeschlagen: „1. eine in der Vergangenheit liegende Bildungsarbeit, die nicht der Förderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung diente, 2. Grundsatzprogramme oder sonstige Veröffentlichungen, deren Inhalte die Erwartung begründen, dass die Bildungsarbeit nicht im Sinne der Nummer 1 förderlich sein wird, 3. die Mitwirkung, Beschäftigung oder Beauftragung von Personen, die die inhaltliche Arbeit der Stiftung wesentlich beeinflussen können, wenn bei ihnen ein hinreichend gewichtiger Verdacht besteht, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, und 4. eine verfassungsfeindliche Prägung der politischen Grundströmung, die der Stiftung zuzuordnen ist.“ 

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber im Februar dieses Jahres in seinem Urteil zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung aufgefordert, die staatliche Förderung parteinaher Stiftungen mit einem eigenen Gesetz zu regeln. Dabei müsse sichergestellt werden, dass die dauerhaften politischen Grundströmungen bei der Geldvergabe berücksichtigt werden. Sollten dabei Eingriffe in die Chancengleichheit der politischen Parteien vorgenommen werden, bedürfe es dazu „besonderer gesetzlicher Regelungen, die zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter geeignet und erforderlich sind“, hieß es im Urteil. Karlsruhe gab dem Gesetzgeber hierzu noch einen Hinweis auf den Weg: Als gleichwertiges Verfassungsgut komme „insbesondere der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Betracht“. 

Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger hält die Präzisierung der SPD für einen „sehr vernünftigen Vorschlag“. In der ursprünglichen Form sei die Klausel hingegen „nicht besonders bestimmt“ und gebe der zuständigen Behörde einen relativ weiten Spielraum. „Das halte ich für verfassungsrechtlich sehr angreifbar“, sagte die Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Düsseldorf. 

Auf die dreimalige Vertretung im Bundestag abzuzielen, hält Schönberger hingegen für „verfassungsrechtlich durchaus riskant“. Schließlich hatte Karlsruhe es als „nicht fernliegend“ bezeichnet, auf einen Zeitraum abzustellen, der die Dauer einer Legislaturperiode übersteigt – also auf die zweimalige Vertretung. Das Gericht hat dem Gesetzgeber hier aber einen gewissen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Auch in einer gemeinsamen Erklärung der parteinahen Stiftungen aus dem Jahr 1998, die als bisherige Grundlage der Finanzierung galt, heißt es, dass ein geeigneter Anhaltspunkt „eine wiederholte Vertretung“ sein dürfte. Die AfD ist momentan zum zweiten Mal im Bundestag vertreten. 

„Geht dort wie hier um die Abwehr von Antidemokraten“

Schönbergers Fachkollege Volker Boehme-Neßler hält das im Entwurf genannte Kriterium sogar für „verfassungsrechtlich hoch problematisch“. „Das ist einfach willkürlich, viel zu eng und unflexibel und wird der politischen, dynamischen Wirklichkeit nicht gerecht“, sagte der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg. Nach der Regelung seien „neue, kleine, innovative Gruppierungen“ sehr lange von der Finanzierung ausgeschlossen. „Das ist nicht gut für eine lebendige funktionierende Demokratie.“ 

Die Abstellung auf die Einstufung des Verfassungsschutzes hält Boehme-Neßler sogar für „skandalös“. Es sei einer freiheitlichen Demokratie zutiefst unwürdig, wenn ein Geheimdienst über die Finanzierung von Parteistiftungen entscheide. „Damit verletzt der Entwurf in verfassungswidriger Weise den Grundsatz der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb.“

Rechtsprofessor Markus Ogorek hält den Bezug zum Verfassungsschutzgesetz hingegen für logisch, „weil es dort wie hier um die Abwehr von Antidemokraten geht“. Wenig glücklich gelöst sei allerdings, dass in der Regel eine bloße Verdachtsfalleinstufung zur Versagung der Finanzierung führen könne. „Damit eine Förderentscheidung von möglichst vielen Bürgern politisch anerkannt wird, wäre es klüger, nicht bloß die Schlussfolgerungen der Verfassungsschutzämter aufzugreifen, sondern die dort gewonnenen Erkenntnisse zur Grundlage einer eigenständigen Entscheidung der für die Stiftungsfinanzierung zukünftig zuständigen Behörde zu machen“, sagte der Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln.

Für „sehr erfreulich“ hält Ogorek es, dass ein aktives Eintreten der Stiftungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorausgesetzt werden soll. „Immerhin wollen die Stiftungen vom Staat Millionenbeträge erhalten.“

Im WELT vorliegenden Gesetzentwurf ist noch nicht abschließend geregelt, welche Stelle die Fördervoraussetzungen prüfen soll. An der entsprechenden Stelle finden sich Auslassungspunkte. Die SPD-Fraktion schlägt hier das Bundesinnenministerium vor. Nach Inkrafttreten des Gesetzes solle dann zügig geprüft werden, ob eine andere Stelle diese Aufgabe übernehmen sollte. Im Gespräch war hier auch die Bundestagspräsidentin oder eine eigens zu schaffende Stelle. Letzteres wird aber nicht mehr gelingen, da das Gesetz vor dem Haushalt beschlossen werden muss. Ansonsten wäre die Auszahlung von Geldern verfassungswidrig. Der Haushaltsbeschluss steht zum Jahresende an.
 

Medium: DIE WELT
Datum: 18.09.2023
Autoren: Frederik Schindler