zum Inhalt springen

"Zum Durchregieren"

Die neue hessische Hochschule für Polizisten verstoße gegen die Freiheit der Wissenschaft, meinen SPD und FDP. Sie ziehen vor den Staatsgerichtshof.

 

Wiesbaden. Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP bringen die rechtliche Konstruktion der neuen hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit vor den Staatsgerichtshof. Innenminister Peter Beuth (CDU) habe mit der Einrichtung die Verfassung verletzt, meint der von den Oppositionsfraktionen mit dem Fall beauftragte Verfahrensbevollmächtige Markus Ogorek. 

Der Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität Köln warnte vor einem Dammbruch. „Hier entscheidet sich die Zukunft der Wissenschaftsfreiheit in Hessen.“ Die schwarz-grüne Landesregierung hat die Hochschule für Polizei und Verwaltung mit zwei Polizeibehörden, nämlich der Polizeiakademie und der Zentralen Fortbildung Hessen, zu Beginn des Jahres in der neuen Hochschule zusammengeführt.

Ogorek sieht das anders

Damit sollen in einem bundesweit einmaligen Projekt die Kompetenzen der verschiedenen Einrichtungen gebündelt werden. „Mit einer stärker hochschulisch ausgerichteten, modernen Lehre wollen wir junge Menschen für ein Studium der Verwaltung oder der Polizei gewinnen“, erläuterte Eva Goldbach, die innenpolitische Sprecherin der Grünen am Dienstag.

Ogorek sieht das anders. Unter dem Deckmantel einer wissenschaftlichen Aufwertung der Polizeiausbildung und der Fortbildung für den öffentlichen Dienst greife die Landesregierung in die Wissenschaftsfreiheit und in das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen ein. Sie unterschieden sich in ihrer Organisationsstruktur und ihrer Aufgabenstellung fundamental von Polizeibehörden. Das eine und das andere dürften nicht leichtfertig miteinander vermengt werden.

Der Fraktionschef der SPD, Günter Rudolph, und der innenpolitische Sprecher der FDP, Stefan Müller, monieren den weitreichenden Einfluss des Innenministers auf die Besetzung der Leitung und der Gremien der neu gegründeten Hochschule. Er könne unter Umständen am Ende allein über die Berufung und Abberufung des Hochschulpräsidenten, über die Ernennung des Vizepräsidenten für polizeiliche Aufgaben sowie des Kanzlers der Hochschule und über die Zusammensetzung des Kuratoriums entscheiden.

„Erschreckend, wie wenig Wertschätzung CDU und Grüne entgegenbringen“

„Das Gesetz ist maßgeschneidert, um CDU-Innenminister Beuth in die Lage zu versetzen, die personelle, organisatorische und inhaltliche Ausrichtung der Polizeiausbildung in Hessen nach seiner persönlichen politischen Agenda zu formen“, kritisieren die Oppositionspolitiker. Sie wollen nach ihrem Bekunden verhindern, dass die neue Hochschule zum Präzedenzfall werde. Wenn die Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit und der Selbstverwaltung in diesem Fall Bestand hätten, könnten vergleichbare Einschränkungen jederzeit auch auf andere Hochschulen angewendet werden. 

Rudolph und Müller kritisierten auch das Verhalten der Grünen, die abermals als Korrektiv der CDU versagten. Die Hochschulfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft seien von der Verfassung ausdrücklich geschützt. Dennoch hätten die Grünen beides dem Koalitionsfrieden geopfert. „Es ist erschreckend, wie wenig Wertschätzung CDU und Grüne unserer Verfassung entgegenbringen“, meinen die Oppositionspolitiker.
 

Medium: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Datum: 28.06.2022
Autor: Dr. Ewald Hetrodt