Ist die im vergangenen Jahr gegründete Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HÖMS) eine Mogelpackung, welche die Wissenschaftsfreiheit bedroht? Der Normenkontrollantrag der Landtagsfraktionen von SPD und FDP legt dies nahe, und bei der mündlichen Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof am Mittwoch äußerten auch die Mitglieder des Verfassungsgerichts deutliche Zweifel daran, ob es an der Hochschule tatsächlich um Wissenschaft geht. Am Vormittag hatte sich der Staatsgerichtshof bereits mit einem Normenkontrollantrag der AfD-Fraktion befasst, der das zugrunde liegende Gesetzesverfahren während der Corona-Pandemie als verfassungswidrig rügt.
Innenminister Beuth: HÖMS sollte etwas Besonderes sein
„Wir wollten etwas Besonderes schaffen“, umriss Innenminister Peter Beuth (CDU) in der Anhörung die Entstehungsgeschichte der HÖMS und deren politische Intention. Für die Fusion der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung, der Polizeiakademie Hessen und der Zentralen Fortbildung Hessen habe man einen „passgenauen Organisationsrahmen“ geschaffen. So spiele an der HÖMS, an der künftige Beamten für ihre Laufbahn vorbereitet würden, Praxis eine elementare Rolle, es gebe neben zahlreichen anderen Verbesserungen gegenüber den Vorgängereinrichtungen nun auch ein Promotionsrecht. Die HÖMS sei zugleich Hochschule und Polizeibehörde.
Genau diese Diskrepanz kritisieren die beiden Oppositionsfraktionen: Die Einrichtung sei zwar als Hochschule nach dem hessischen Hochschulgesetz konzipiert worden, jedoch genüge sie weder der verfassungsmäßigen Vorgabe der Selbstverwaltung von Hochschulen noch garantiere sie die Wissensfreiheit. „Die HÖMS hält nicht, was sie verspricht“, führte der Kölner Staatsrechtler Markus Ogorek aus. Er begleitet die Klage von SPD und FDP.
„Wenn man den Durchgriff will, dann gründet man eine Berufsschule“
Sollte die Landesregierung mit diesem Konstrukt durchkommen, drohe womöglich auch anderen Hochschulen eine Beschneidung ihrer verfassungsmäßig garantierten Freiheiten. Die hessische Landesanwältin Monika Böhm sah dies ähnlich: „Eine Hochschule im Sinne der Verfassung liegt nicht vor.“
Die Klage greift mehrere Regelungen an: So hat sich laut Ogorek das Ministerium zu viel Einfluss gesichert, unter anderem bei den Leistungszulagen. Dies führe dazu, dass die HÖMS „mit goldenen Zügeln“ gesteuert werde. Auch die weitgehenden Befugnisse bei der Berufung und Abberufung des Präsidenten seien zu kritisieren: „Der Einfluss des Ministeriums schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Präsidenten.“ Die Zusammensetzung der Gremien wie Senat und Kuratorium verstärke den politischen Einfluss von außen.
Dieser sei der parlamentarischen Verantwortung des Ministers für die neue Hochschule geschuldet, argumentierte der Verfassungsrechtler Herbert Günther, der die Landesregierung vertritt. So recht schien deren Position in der mündlichen Verhandlung nicht zu verfangen: Auch aus den Reihen der zehn Richter des Staatsgerichtshofes gab es zahlreiche kritische Fragen. „Ein brutales Zeugnis“, resümierte die hochschulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Lisa Deißler.
Ein Urteil ist allerdings nicht in Sicht: Für die Entscheidung gibt es bislang keine Terminierung, bestätigte auch das Justizministerium. Alle Beteiligten rechnen aber damit, dass diese erst nach der Landtagswahl am 8. Oktober fallen wird – auch im Fall des anderen Normenkontrollantrags. Geht es nach der AfD-Fraktion, widerspricht das gesamte parlamentarische Verfahren, das zum Gesetz zur Gründung der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit vom 30. September 2021, führte, der hessischen Verfassung.
Beratung und Beschluss fanden ab Mai 2021 unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie statt. Nicht alle Abgeordneten durften physisch im Plenarsaal anwesend sein, die erforderliche Öffentlichkeit sei ausgeschlossen gewesen, führte der Saarbrücker Staatsrechtler Michael Elicker aus. Der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gerhard Schenk, sprach von einem „Corona-Schrumpfparlament“, das im nicht-ordnungsgemäßen Betrieb Gesetze verabschiedet habe.
Landtag und Landesregierung widersprachen: Die Geschäftsordnung sei seinerzeit im Konsens aller Fraktionen geändert worden, die Teilnahme der Parlamentarier per Live-Zuschaltung möglich gewesen. Beratungs- und Beschlussfähigkeit seien jeweils vom Landtagspräsidenten festgestellt worden, ohne dass es Widerspruch gegeben habe.
Medium: Wiesbadener Kurier
Datum: 14.07.2023
Autor: Sascha Kircher