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Wieder hat der Staatsgerichtshof das letzte Wort

SPD und FDP reichen Verfassungsklage gegen schwarz-grünes Gesetz über die neue Polizeihochschule ein.

 

Wiesbaden. Acht Monate nach ihrer Niederlage beim Corona-Sondervermögen muss die schwarz-grüne Landesregierung erneut um den Bestand eines wesentlichen Vorhabens vor dem Staatsgerichtshof bangen. Die Oppositionsparteien SPD und FDP reichten am Dienstag Klage gegen das Gesetz über die Reform der Polizeiausbildung ein, mit dem zum Jahresanfang die neue Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit geschaffen wurde. Eine solche Mischform zwischen der streng hierarchisch geführten Polizei und einer der Freiheit der Wissenschaften verpflichteten Hochschule halten die Kläger für verfassungsrechtlich nicht haltbar.

SPD und FDP hoffen, dass Hessens höchste Richter daher auch dieses Gesetz verwerfen und damit der Koalition aus CDU und Grünen - womöglich noch vor der Landtagswahl im nächsten Jahr - erneut eine schwere Niederlage zufügen werden. Im Fokus der Kritik beider Oppositionsparteien steht einmal mehr Innenminister Peter Beuth (CDU). Ihm werfen sie vor, mit der bundesweit einmaligen Konstruktion einer Hochschule, die zugleich Polizeibehörde ist, letztlich seine Macht ausbauen und "durchregieren" zu wollen. Von Wissenschaftsfreiheit könne da keine Rede mehr sein, argumentierten SPD-Fraktionschef Günter Rudolph und der FDPInnenpolitiker Stefan Müller bei der Vorstellung der 50 Seiten umfassenden Klageschrift im Wiesbadener Landtag.

Die warfen sie unmittelbar nach der Pressekonferenz ein paar Straßen weiter in den Briefkasten des Staatsgerichtshofs, der als eine Art Verfassungsgerichtshof in Hessen auch vom Parlament verabschiedete Gesetze aufheben darf. Das gilt, wenn er darin einen Verstoß gegen die Landesverfassung sieht, wie dies Ende Oktober vergangenen Jahres bei den Schuldenermächtigungen für das Corona-Sondervermögen der Landesregierung der Fall war. Als Verfahrensbevollmächtigten haben die Kläger den Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität Köln, Professor Marcus Ogorek, gewonnen, der von einem Erfolg des Normenkontrollantrags überzeugt ist.

Schließlich sei die Freiheit der Wissenschaft in der hessischen Landesverfassung verankert und könne auch bei einer eher kleinen Hochschule wie der für die Polizei und den öffentlichen Dienst nicht in Frage gestellt werden, argumentiert er. Eine solche Garantie der Wissenschaftsfreiheit aber bedinge eine Staatsferne und Unabhängigkeit der Hochschulen. Und die gebe es bei der neu gegründeten "HöMS", wie die Polizeihochschule abgekürzt wird, kaum noch. Letztlich entscheide der hessische Innenminister anhand einer ihm vorgelegten Kandidatenliste der Hochschule über deren Präsidenten. Das gelte sowohl für die Berufung als auch die Abberufung. Zudem obliege dem Minister und obersten Dienstherr der Polizei die Ernennung des Vizepräsidenten für polizeiliche Aufgaben und des Kanzlers der Hochschule.

Auch die Zusammensetzung des Senats stelle die Unabhängigkeit der Wissenschaft in Frage. Ihm gehörten in der Polizeihochschule nicht wie sonst üblich ausschließlich Professoren mit entsprechender wissenschaftlicher Qualifikation an, sondern auch Hochschuldozenten etwa aus der Polizei ohne eine entsprechende Laufbahn und ohne wirkliche Unabhängigkeit. Und im 13-köpfigen Kuratorium der "HöMS" säßen allein sieben Vertreter von Landesministerien sowie der Bereitschaftspolizei. Das habe mit Staatsferne nichts zu tun. Nicht erläutert werde im Gesetz überdies der "wichtige Grund", aus dem der Präsident abberufen werden könne. Wissenschaftler müssten aber kritisch und unabhängig arbeiten können, sagen die Politiker Rudolph und Müller ebenso wie ihr Rechtsvertreter.

Das hessische Innenministerium hat dagegen nach eigenen Angaben keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, die ausführlich geprüft worden sei. Die Hochschule mit ihren vier Standorten Gießen, Kassel, Mühlheim und Wiesbaden stehe neben der Polizei noch anderen Landesbediensteten wie auch Kommunen, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts offen. In forschungsstarken Fachbereich seien auch Promotionen möglich. Die HöMS sei eine Hochschule und nehme zudem polizeibehördliche Aufgaben wahr.
 

Medium: Frankfurter Neue Presse
Datum: 28.06.2022
Autor: Gerhard Kneier