Träger von politischer Bildungsarbeit, die zur Solidarität mit Linksextremen aufrufen. Gefängnisseelsorger, die salafistische oder gar islamistische Predigten halten. Buchprojekte, die von Rechtsextremen betrieben werden. Oder „propalästinensische“ Gruppen, die jüdische Studenten an den Universitäten einschüchtern, Kunstveranstaltungen unterbrechen und auch aus bildungsbürgerlichen Kreisen irritierenden Zuspruch erhalten. All diesen Fällen ist gemeinsam, dass das Verhalten der beteiligten Akteure Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung erkennen lässt, ohne dass die politisch Verantwortlichen unmittelbaren Handlungsbedarf gesehen hätten. Und noch ein anderer Aspekt verbindet die genannten Beispiele: Die Verantwortlichen wurden – direkt oder indirekt – mit staatlichen Fördermitteln finanziert.
Keine inhaltliche Beeinflussung
Die Frage, inwieweit der Staat finanzielle Zuwendungen im Bildungs- oder Kulturbereich an Bedingungen knüpfen darf, ist mindestens so alt wie unsere Verfassung. Der Gedanke der Staatsfreiheit spielt dabei eine herausragende Rolle. Wenn sich die Bürger nicht mehr sicher sein können, in Bildungseinrichtungen neutral anstatt entsprechend einer bestimmten Regierungslinie informiert zu werden, werden sie solche Institutionen meiden – ebenso wie Ausstellungen oder Aufführungen, die sich dem aktuellen politischen Mainstream beugen müssten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Grundgesetz einer politischen Steuerung von Bildung und Kultur einen Riegel vorschiebt.
Wenn die öffentliche Hand beschließt, privates Engagement – insbesondere solches von gesellschaftlichem Nutzen – zu fördern, leitet sich daraus folglich kein Mitspracherecht bezüglich der politischen oder kulturellen Ausrichtung ab. Dementsprechend fordert auch niemand aus dem demokratischen Parteienspektrum eine derartige staatliche Ingerenz. Doch wie verhält es sich bei der Förderung von Initiativen, die sich unter dem Deckmantel von Kunst und Bildung gegen die Menschenwürde oder das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip richten? Sind dies gleichfalls Verhaltensweisen, die ihres grundrechtlichen Schutzes wegen von staatlicher Subventionierung nicht ausgeschlossen werden dürfen?
Komplexe rechtliche Anforderungen
Das Bundesverfassungsgericht hat vor gut anderthalb Jahren im Zusammenhang mit Leistungen an die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung eine wegweisende Entscheidung in einem grundrechtssensiblen Bereich getroffen. Danach kann eine Ungleichbehandlung von Empfängern staatlicher Mittel gerechtfertigt sein, wenn die von ihnen vertretenen Positionen verfassungsfeindlich sind. Allerdings forderten die Richter klare Leitlinien, die in einem „besonderen Gesetz“ zu verankern sind.
Maßgeblicher Ansatzpunkt ist für die Karlsruher Richter die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts obliegt es den Parlamenten, in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Eindeutige Kriterien, welche Entscheidungen als „wesentlich“ gelten, fehlen allerdings. Insbesondere in der Leistungsverwaltung – wo der Staat keine Verbote erlässt, sondern die Rechte der Bürger allenfalls durch die Versagung bestimmter Leistungen beeinträchtigt – wird die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen differenziert bewertet. Doch gerade in Bezug auf staatliche Förderklauseln ist ein Parlamentsgesetz unabdingbar, da das Vorenthalten von finanziellen Zuwendungen die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten erheblich erschweren kann.
Rechtsgrundlage Haushaltsordnung
Viele der eingangs erwähnten Fälle spielen in der Bundeshauptstadt oder weisen enge Verbindungen zu ihr auf. Deshalb trägt der Senat von Berlin eine besondere Verantwortung, an der Erarbeitung von Lösungen mitzuwirken. Ein Vorschlag besteht darin, die Landeshaushaltsordnung – ein vom Abgeordnetenhaus verantwortetes Gesetz – dahin gehend anzupassen, dass finanzielle Förderungen nur gewährt werden dürfen, wenn „der Zuwendungsempfänger keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt oder unterstützt und keine demokratiefeindlichen, antisemitischen, rassistischen oder sonstigen extremistischen, menschenverachtenden Inhalte verbreitet“. Alles also in trockenen Tüchern? Keineswegs.
Denn auch der neue Vorschlag stößt auf Widerspruch. Manchem merkt man freilich an, dass er nicht auf die Sache zielt. Dennoch haben sich zahlreiche Stimmen durchaus ernsthaft und nachdenklich in die Diskussion eingebracht. Insbesondere wurde die Frage aufgeworfen, wie verfassungsfeindliche Bestrebungen präzise zu bestimmen seien. Hier ließe sich auf Definitionen zurückgreifen, die sich unter anderem in § 6 des Berliner Verfassungsschutzgesetzes finden und durch die Rechtsprechung – namentlich im zweiten NPD-Verbotsverfahren – geschärft wurden. Da Kunst und Kultur frei darin sind, die bestehenden Verhältnisse kritisch zu hinterfragen, ist die Forderung nach einem positiven Bekenntnis öffentlich geförderter Akteure zur Verfassung schwer zu rechtfertigen. Es erscheint daher folgerichtig, den Fokus auf verfassungsfeindliche, also aktiv gegen die Grundpfeiler unserer Staatsordnung gerichtete Bestrebungen zu legen.
Einbindung des Verfassungsschutzes
Vielfach wurde die Frage aufgeworfen, wie verfassungsfeindliche Bestrebungen bei Antragstellern überhaupt ermittelt werden können. Klar ist, dass eine reine Symbolgesetzgebung niemandem helfen würde. Umgekehrt wäre es verfehlt, Bildungsträger, religiöse Institutionen oder Kunst- und Kulturvereinigungen bei jeder Förderanfrage systematisch zu durchleuchten. Solche Vorstellungen sind völlig abwegig. Dagegen liegt es durchaus nahe, bei der zuständigen Verfassungsschutzbehörde anzufragen, ob jemand, der Steuergeld für seine private Tätigkeit erhalten möchte, nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften dort bereits als Verfassungsfeind bewertet wird. Bund und Länder haben den Verfassungsschutz eigens als „Frühwarnsystem der Demokratie“ eingerichtet.
Dementsprechend muss eine Förderung mit Steuergeldern ausscheiden, wenn eine Organisation in dem für jeden einsehbaren Verfassungsschutzbericht genannt wird – wie etwa lange Zeit die „Neuköllner Begegnungsstätte“, deren Leiter das Land Berlin im Jahr 2015 aufgrund von Unkenntnis der zuständigen Stellen mit dem Verdienstorden ehrte. Im Steuerrecht gilt schon lange die (widerlegliche) Vermutung, dass Organisationen, die der Verfassungsschutzbericht nennt, die Anerkennung als gemeinnützig zu versagen ist. Im Hinblick auf staatliche Zuwendungen fehlt eine entsprechende Regelung hingegen.
Keine Scheindebatten zulassen
Ebenso wichtig ist, eine weitere Befürchtung auszuräumen: dass der Inlandsnachrichtendienst künftig selbst über die Förderung von Kulturschaffenden entscheiden solle. Wie in den aktuell praktizierten Fällen, in denen seine Erkenntnisse herangezogen werden, läge die Entscheidung weiterhin bei den zuständigen Fachbehörden. Gegen die Ablehnung eines Förderantrags stünde der Rechtsweg offen. Angesichts der möglichen Grundrechtsverletzungen ist davon auszugehen, dass die Gerichte für eine Versagung der Förderung gewichtige Argumente verlangen würden – und das zu Recht.
Wohin die Debatte keinesfalls abdriften darf, ist die hysterische Zuspitzung, es gehe darum, Kunst „zu verbieten“ oder nur noch „regierungstreue“ politische Arbeit zu fördern. Zu entscheiden ist allein, ob es verfassungsrechtlich zulässig und politisch geboten ist, öffentliche Zuwendungsempfänger bei der Frage der staatlichen Finanzierung unterschiedlich zu behandeln, wenn sie sich aktiv gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde stellen. Angesichts zahlreicher aktueller Vorfälle ist klar: Die Förderung von Verfassungsfeinden muss beendet werden. Es ist höchste Zeit für gesetzgeberisches Handeln.
Medium: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Datum: 04.11.2024
Autoren: Felor Badenberg und Markus Ogorek (Gastbeitrag)