Nach dem knappen Scheitern der Grünen bei der Landtagwahl Ende März haben mehrere Wahlberechtigte über einen Anwalt die Wahl angefochten. Darüber muss nun zunächst ein Ausschuss im Landtag entscheiden - weist der die Anfechtung zurück, kann eine Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof erhoben werden, erklärt Professor Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität Köln, im SR-Interview.
Dass eine Wahl angefochten wird, kommt durchaus häufig vor. "Wahlanfechtungen gibt es wie Sand am Meer. Es ist aber ganz, ganz selten, dass Wahlanfechtungen erfolgreich sind", sagt Ogorek. Für eine solche Anfechtung gebe es sehr hohe Hürden. Grundsätzlich müsse zwischen der Funktionsfähigkeit des Landtags und damit der Funktionsfähigkeit der Demokratie und dem Recht des Bürgers auf einen korrekten Wahlablauf abgewogen werden. Das bedeute zum Beispiel, dass eine Wahl selbst bei Fehlern nur dann ungültig erklärt werden könne, wenn sich die Wahlfehler konkret auf die Sitzverteilung im Landtag auswirkten, so Ogorek.
Unter anderem darum geht es aber bei der Wahlanfechtung im Saarland: Die Grünen haben mit nur 23 Stimmen ganz knapp den Einzug verpasst - etwaige Fehler könnten die Sitzverteilung also durchaus maßgeblich beeinflussen. Konkret werden zwei Vorwürfe erhoben: Unzulässige Wahlwerbung für den Illinger Bürgermeister und Kandidaten von Bunt.Saar, Armin König. Und teils falsche Informationszettel, wonach man zwei Stimmen bei der Wahl habe. Anders als bei der Bundestagswahl hatten die Saarländerinnen und Saarländer bei der Landtagswahl aber nur eine Stimme.
"Ich persönlich glaube, dass wir hier keinen Fall einer unzulässigen Wahlbeeinflussung haben", sagt Ogorek mit Blick auf die Vorwürfe gegen König. "Das hängt damit zusammen, dass der Illinger Bürgermeister in dem Editorial einer Zeitung auf bestimmte städtische Veranstaltungen hingewiesen hat - in seiner Funktion als Bürgermeister. Und im selben Heft an anderer Stelle für ihn geworben wurde als Spitzenkandidat von Bunt.Saar", erklärt Ogorek. Der Hinweis des Bürgermeisters auf kommunale Veranstaltungen sei aber in der gebotenen sachlichen Neutralität erfolgt, sagt Ogorek. Hier könne man also nicht sagen, dass König in seinem Amt als Bürgermeister die staatliche Neutralitätspflicht verletzt habe. Auch König selbst hat die Vorwürfe schon zurückgewiesen.
Bleibt der Punkt mit den fehlerhaften Hinweisen zum Wahlablauf - offenbar Informationszettel, die noch von der Bundestagswahl stammten und vertauscht wurden. Hier verweist Ogorek darauf, dass das nur in ganz wenigen Fällen passiert sei. Die Saar-Grünen, die einer der Nutznießer bei einer erfolgreichen Wahlanfechtung wären, haben sich bereits von der Beschwerde distanziert. "Wir halten die Anfechtung der Wahl für falsch", teilte der Grünen-Generalsekretär Thorsten Reif Anfang der Woche mit. Man akzeptiere das Wahlergebnis und wolle es nun parteiintern aufarbeiten.
Medium: Saarländischer Rundfunk (SR 3)
Datum: 22.04.2022
Autorin: Dorothee Scharner