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Verwaltungsrechtler zum Anwohnerparken: "Die Regelung könnte vor Gericht fallen"

Köln will höhere Anwohnerparkgebühren nur, wenn sie sozial gestaffelt sind. Das ist juristisch heikel, sagt Verwaltungsrechtler Markus Ogorek.

 

Die Erhöhung der Anwohnerparkgebühren von 30 Euro auf bis zu 390 Euro war eines der großen Ziele des Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt. Vor allem die Grünen hatten sich erhofft, mit der Erhöhung einen großen Schritt in der Verkehrswende gehen zu können. Die Verwaltung hat die Pläne im Mai detailliert vorgestellt und rechnete durch die Erhöhung mit einer Reduzierung um 20.000 Anwohnerparkausweise – und weniger zugeparkten Straßen.

Jetzt aber steht der Plan infrage. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Satzung in Freiburg, die dem Kölner Vorschlag in Teilen ähnelt, gekippt. Die Verwaltung hat ihren Vorschlag daraufhin vorerst zurückgezogen. Der Juraprofessor Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, schätzt im Interview ein, welche Möglichkeiten der Stadt Köln jetzt bleiben.

Herr Ogorek, das Bundesverwaltungsgericht hat die Freiburger Satzung zum Anwohnerparken gekippt. Warum?

Für das Gericht war entscheidend, dass das Straßenverkehrsgesetz nicht erlaubt, die Anwohnerparkgebühren in einer Satzung zu regeln. Deswegen ist das Freiburger Modell schon aus formalen Gründen für rechtswidrig erklärt worden. Nur der Erlass von Rechtsverordnungen ist nach dem Gesetz zulässig. Der Unterschied zwischen beiden Rechtsformen ist durchaus bedeutsam: Bei Satzungen geht es vor allem um die kommunale Selbstverwaltung, in einer Satzung kann die Stadt zum Beispiel Gebühren für ihre Musikschulen und dabei auch soziale Staffelungen vorsehen. Bei einer Rechtsverordnung ist das anders. Sie darf nur ausformen, wozu das jeweilige Gesetz ermächtigt. Und im Straßenverkehrsgesetz sind – das ist der zweite Punkt – soziale Zwecke nicht für berücksichtigungsfähig erklärt werden.

Sie sprechen es an: Ein zweites Problem ist die soziale Staffelung, Menschen mit niedrigem Einkommen und Schwerbehinderte sollten in Freiburg weniger zahlen. Das ist gesetzlich verboten?

So ist es. Das Straßenverkehrsgesetz ermöglicht keine sozialen Staffelungen, es befasst sich gar nicht mit dem Thema. Aus diesem Grund hat sich der Städtetag zuletzt für eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes eingesetzt. Bislang gab es eigentlich keine Notwendigkeit dafür, soziale Komponenten in das Straßenverkehrsrecht zu integrieren. Solche Bestimmungen könnten ohne Zweifel geschaffen werden, hierfür bedarf es aber einer entsprechenden Gesetzesänderung auf Bundesebene.

Grundsätzlich können Städte wie Freiburg und Köln eine Satzung aber in eine Rechtsverordnung umwandeln?

In Städten, in denen die Gebührenbestimmungen bislang in einer Satzung geregelt sind, sollte diese zunächst aufgehoben und der Inhalt dann neu erlassen werden – nämlich als Rechtsverordnung. Das ist unproblematisch möglich. In Köln stellt sich dieses Problem allerdings nicht, da hier lediglich der Vorschlag zum Erlass einer Satzung vorlag, der infolge des Urteils zurückgezogen wurde. Die Stadt kann also direkt auf die passende Rechtsform zurückgreifen.

Wie kam man in Freiburg überhaupt auf die Idee, eine Satzung zu beschließen?

Das liegt an einem handwerklichen Fehler in der Landesgesetzgebung Baden-Württembergs. Hierfür muss man wissen: Der Bund hat die Landesregierungen und diese wiederum haben die Städte ermächtigt, Gebührordnungen selbst zu erlassen. Das Land Baden-Württemberg hat dabei allerdings angeordnet, dass es sich um Satzungen handeln soll, obwohl dies von der Ermächtigung des Straßenverkehrsgesetzes nicht gedeckt ist. In Nordrhein-Westfalen ist die Formulierung nicht eindeutig, sie kann unterschiedlich gelesen werden.

Weil man aber von den rechtlichen Problemen in Freiburg nichts wusste, hatte man sich auch in Köln zunächst für den Erlass einer Satzung ausgesprochen – vielleicht auch, um mehr Steuerungsmöglichkeiten zu haben. Mit der nun gefällten Entscheidung zugunsten des Erlasses einer Rechtsverordnung können die Städte ausschließlich solche Vorgaben in ihre Gebührenordnungen aufnehmen, die im Straßenverkehrsgesetz angesprochen werden. Hierbei geht es vor allem um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, nicht aber um sozialpolitische Erwägungen.

Eine soziale Staffelung ist angesichts dessen nicht möglich. Können die Städte denn auf andere Weise die Belange von Menschen mit niedrigem Einkommen berücksichtigen, zum Beispiel mit nachträglichen Rückzahlungen?

Bonn hat sich meines Wissens nach für diese Lösung entschieden. Aus juristischer Sicht muss ich hinter diesen Ansatz allerdings ein Fragezeichen setzen. Der Gedanke dieses Konzepts liegt ja darin, bei der Erhebung der Gebühren nicht nach sozialen Kriterien zu unterscheiden, in einem zweiten Schritt aber in Fällen sozialer Bedüftigkeit eine teilweise Rückerstattung durchzuführen. Das führt im Ergebnis zu genau der Situation, die eine soziale Staffelung in der Gebührenordnung herbeiführen würde – und macht auf mich deshalb den Eindruck eines Umgehungsversuches. Die Stadt Bonn prüft ihre Regelung jetzt mit Blick auf das aktuelle Urteil, was ich für eine sinnvolle Vorgehensweise halte.

Grundsätzlich scheint der Gedanke nicht abwegig, dass Menschen mit weniger Geld niedrigere Gebühren zahlen. Gibt es also eine gesetzgeberische Lücke auf Bundesebene?

Früher hat man mit dem Straßenverkehrsgesetz keine sozialen Anliegen verfolgen müssen: Eine Bearbeitungsgebühr von 30 Euro, die bislang für das Anwohnerparken erhoben wurde, fiel so niedrig aus, dass sie keiner Staffelung bedurfte. Indem die Städte die Gebühren in letzter Zeit drastisch erhöht haben, stellt sich nun auch die Frage einer sozialen Abfederung.  Der Deutsche Bundestag muss daher entscheiden, ob er das Straßenverkehrsgesetz entsprechend anpassen will. Da das Bundesverwaltungsgericht sogar eine Erhöhung der Jahresgebühren auf über 300 Euro für zulässig gehalten hat,  liegt es nahe, eine Staffelung in Betracht zu ziehen.

Ein anderes Problem sind die unterschiedlichen Preise nach Autolängen. In Freiburg schwanken diese zwischen 240 und 480 Euro, was dem Bundesverwaltungsgericht zu viel war. In Köln liegt die Spanne zwischen 330 und 390 Euro. Ist das rechtssicher?

Diese Frage kann am Ende nur ein Gericht entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass Köln an dieser Stelle keine Gebührensprünge vorsieht, die als unzulässig groß angesehen werden müssten. Ich bin daher zuversichtlich, dass die geplante Kölner Rechtsverordnung gerichtsfest sein wird.

Grüne und CDU haben zuletzt ausgeschlossen, höhere Anwohnerparkgebühren ohne soziale Staffelung einzuführen. Welche Perspektiven bleiben da?

Es ist gut nachvollziehbar, wenn die Stadt eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes abwarten will. Hierfür kann sie sich auch gegenüber dem Bundestag einsetzen, etwa über die Landesregierung oder den Städtetag. Strebt man hingegen eine sofortige Lösung an – oder zeigt sich der Bund nicht veränderungsbereit –, kann die Stadt nach Bonner Vorbild den Versuch einer Rückerstattung nach sozialen Kriterien wagen. Dass diese Regelung allerdings juristisch angegriffen und möglicherweise vor Gericht fallen könnte, muss einkalkuliert werden.
 

Medium: Kölner Stadt-Anzeiger
Datum: 11.07.2023
Autor: Paul Gross