Die im vergangenen Jahr gegründete Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (Höms) verstößt bei bestimmten Regelungen gegen die Verfassung, weil das Innenministerium dort zu großen Einfluss hat. Das hat der Staatsgerichtshof beschlossen, der sich mit einem Normenkontrollantrag der Landtagsfraktionen von SPD und FDP befasst hatte. Der Beschluss des höchsten hessischen Gerichts fiel am 1. Dezember, wie der Staatsgerichtshof am Mittwoch mitteilte.
„Ich bin sehr zufrieden, weil wir in allen zentralen Punkten gewonnen haben“, sagt Professor Markus Ogorek. Der Kölner Staatsrechtler betreute die Verfassungsklage als Verfahrensbevollmächtigter. So habe der Staatsgerichtshof die Zusammensetzung der Professorengruppe gerügt. In diesem Gremium müssten die „eigentlichen“ Professoren die Mehrheit haben. Die Richter erkannten, dass „die verfassungswidrige Zusammensetzung des Senats (...) Auswirkungen auf sämtliche die Forschung betreffenden Entscheidungen hatte“. Wer an eine Hochschule nur abgeordnet sei, habe ein völlig anderes Interesse an dieser als „richtige“ Professoren, die wissenschaftlich ausgebildet seien und ihre Fächer besonders fachlich verträten, erklärt Ogorek. „Hier wurde zusammengefügt, was nicht zusammen gehört.“
Auch an der Berufung und Abberufung des Präsidenten übte der Staatsgerichtshof Kritik. Der verfassungswidrige Einfluss des Innenministeriums bedeute „strukturelle Gefahren für die Wissenschaftsfreiheit“. Die Berufungssatzung, das heißt die Regelung, wer an der Höms überhaupt Professor werden darf, wurde ebenfalls gerügt. Die Regelungen zur Höms basieren auf dem Ende 2021 verabschiedeten Hessischen Hochschulgesetz.
Verstoß gegen die Staatsferne
„Der Gesetzgeber muss durch hochschulorganisationsrechtliche Regelungen sicherstellen, dass in der Hochschule freie Wissenschaft möglich ist und ohne wissenschaftsfremde Einflussnahmen betrieben werden kann“, formulierte der Staatsgerichtshof als zentralen Leitsatz für seine Entscheidung. In der mündlichen Verhandlung im Juli hatte Jurist Ogorek die Höms als „Mogelpackung“ bezeichnet, in der durch den Durchgriff des Ministeriums die Wissenschaftsfreiheit massiv gefährdet sei. Dadurch werde gegen die in Artikel 10 und 60 der Landesverfassung geregelte Staatsferne verstoßen.
Bei den Regelungen, die der Staatsgerichtshof als noch vereinbar mit der Verfassung bezeichnete, sieht Ogorek keinen Erfolg der Landesregierung. So werde etwa die Gesamtzusammensetzung des Präsidiums nicht gerügt – freilich nur unter der Bedingung, „dass die Präsidentenbestellung ordnungsgemäß erfolgt“, betont der Staatsrechtler. Mit dem Beschluss sei man deshalb einverstanden; das Gericht habe an mehreren Stellen ähnlich argumentiert. Ogorek sieht die machtpolitischen Stellschrauben des Ministeriums gestutzt; ohne diese werde die Höms „eine völlig andere Hochschule“.
„Ich freue mich vor allem für die dortigen Kollegen, weil nun endlich der bei Gesetzgebung aufgestellte Anspruch erfüllt werden kann, mehr Wissenschaftlichkeit und eine Aufwertung der konstruktiv-kritischen Polizeiausbildung zuzulassen.“ Die Landesregierung müsse sich daher keinesfalls als „Verliererin“ fühlen. Die Einschätzung teilt das Innenministerium – aber nur bedingt. Die Höms sei „in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung bestätigt“ worden und die „Gesamtregelung mit der Hessischen Verfassung vereinbar“, teilt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. Die Vereinigung von Hochschule, Polizeibehörde und zentraler Fortbildung sei durch den Beschluss des Staatsgerichtshofs anerkannt worden, daher könne man das „dahinterstehende Ziel, eine ganzheitliche und einer gemeinsamen Strategie folgende Aus-, Fort- und Weiterbildung“, weiterverfolgen. „Für die beanstandeten Normen werden sich zielführende Lösungen finden.“ Hier gehe es in erster Linie um eine Präzisierung im Gesetzestext.
Für diese hat die Landesregierung nun bis 31. Dezember 2024 Zeit, bis dahin gelte die beanstandeten Regelungen fort. Einen Normenkontrollantrag der AfD, wonach das parlamentarische Zustandekommen des Gesetzes unter erschwerten Corona-Bedingungen – mit nur einem Teil der Landtagsabgeordneten und eingeschränkter Öffentlichkeit – verfassungswidrig sei, hat der Staatsgerichthof abgewiesen.
Medium: Wiesbadener Kurier
Datum: 14.12.2023
Autor: Sascha Kircher