Tödlicher Messerangriff nach einem Streit in einem Club auf Venloer Straße in Köln in der Halloween-Nacht; in der selben Nacht wurde auf dem Hohenstaufenring ein 29-Jähriger von einem alkoholisierten 17-Jährigen nach einem Streit um Zigaretten mit dem Messer attackiert und an der Schulter verletzt. Bereits im August wurde auf der Zülpicher Straße ein 18-Jähriger erstochen. Die Beispiele ließen sich fast beliebig fortsetzen. Und das nicht nur in Köln. Nun wird die Diskussion um Messerverbotszonen lauter.
Wer spricht sich für die Waffenverbotszonen aus?
Schrecken und Unmut über die zuletzt zunehmende Gewalt auf der Straße unter Verwendung von Messern hat diese Woche Landesinnenminister Herbert Reul dazu bewogen, laut über Messerverbotszonen an Party-Hotspots nachzudenken. Positive Resonanz gab es von Lokalpolitikern wie der Kölner Stadtdirektorin Andrea Blome oder dem ordnungspolitischen Sprecher der SPD im Stadtrat, Gerrit Krupp.
Wie sieht der rechtliche Rahmen aus?
Die Voraussetzungen für eine Waffenverbotszone finden sich im Bundeswaffengesetz. „Danach müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist“, sagt der Direktor des Institut für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Uni Köln, Professor Markus Ogorek. Diese Tatsachen zu finden, sei in vielen Fällen aber nicht leicht. „Knappe, undifferenzierte Verweise auf vergangene Straftaten und das bloße Berufen auf kriminalistische Erfahrungssätze genügen diesen strengen Anforderungen nicht“, sagt Ogorek. Das NRW-Innenministerium teilte auf Anfrage mit, es müssten Gefahrenprognosen erstellt werden, „wie häufig es zu Schadensfällen unter Verwendung von Waffen und Messern kommen kann und welches Ausmaß diese haben.“ Es dürfe keine „Schnellschüsse“ geben.
Wie stehen die Chancen für Waffenverbotszonen?
Die Prüfung soll klären, ob sich durch Verbotszonen ein polizeilicher Mehrwert in der Gefahrenbekämpfung ergibt. Das wäre die notwendige Voraussetzung. Die Einschätzung des Ministeriums lässt erahnen, dass die Chancen nicht schlecht stehen: „Es zeichnet sich derzeit ab, dass es einen solchen polizeilichen Mehrwert gibt, und dass es verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine polizeifachlich präzise formulierte Rechtsverordnung nicht geben dürfte“, teilt ein Sprecher mit.
Welche Messer wären in den Zonen verboten?
Klingen über 8,5 Zentimeter sind in der Öffentlichkeit generell verboten. Laut Waffengesetz sind Verbotszonen für Messer möglich, die eine feststehende oder feststellbare Klingenlänge von über vier Zentimetern haben. „Zwar werden dadurch die meisten handelsüblichen Taschenmesser aus guten Gründen ausgenommen, allerdings sorgt die Regelung auch für Wertungswidersprüche“, sagt Markus Ogorek. Denn während manche Karton- oder Teppichmesser erlaubt blieben, wären etwa größere Apfelschäler oder Rettungsmesser verboten. „Der Fairness halber muss man zugeben: Der Normgeber muss Pauschalieren dürfen und kann selten eine ideale Differenzierung vorsehen.“ Ausnahmen in den Verbotszonen gebe es laut Ministerium für Anwohner oder Handwerker.
Wie werden Verbotszonen bestimmt und abgegrenzt?
Leichter als die Risiken für die öffentliche Sicherheit darzulegen, sei aus Sicht von Markus Ogorek die Abgrenzung der Verbotszonen. Das Gesetz nenne Gebäude und Flächen mit öffentlichem Verkehr und Veranstaltungsorte oder Plätze, auf denen es zu Menschenansammlungen komme. „Dort und auf angrenzenden Wegen und Plätzen dürfen Messerverbotszonen eingerichtet werden – wenn die beschriebene Gefahr vorliegt.“ Gilt die Gefahrenlage nur für bestimmte Tageszeiten, wie zum Beispiel auf Partymeilen in den Abend- oder Nachtstunden, ist die Anordnung laut Ministerium auf diese Zeiten zu beschränken. Das gilt auch für Gefahrenlagen an bestimmten Tagen.
Wer kontrolliert die Verbotszonen?
Die Polizei darf in den Verbotszonen anlasslos kontrollieren. Wer gegen das Verbot verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 10 000 Euro geahndet werden kann.
Warum scheiterte die Waffenverbotszone in Leipzig?
Dass eine Waffenverbotszone nicht so leicht rechtssicher umzusetzen ist, wie man denken mag, zeigt zum Beispiel der Fall Leipzig. Dort kippte im März das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) eine im November 2018 erlassene Polizeiverordnung der Stadt über das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände in der Eisenbahnstraße. Die Verordnung der Stadt Leipzig basierte auf dem sächsischen Polizeigesetz, also auf einer anderen Rechtsgrundlage als die in NRW diskutierten Verbotszonen. Die Ermächtigung im Bundeswaffengesetz wurde erst 2020 geschaffen.
"Es soll dem OVG-Urteil zufolge an hinreichenden Nachweisen dafür gefehlt haben, dass die Eisenbahnstraße ein Ort sei, an dem es durch die verbotenen Gegenstände zu der als Begründung angeführten spezifischen Kriminalitätsspitze kommt", sagt Markus Ogorek. Es habe keinen Erfahrungsssatz gegeben, wonach das bloße Mitführen von gefährlichen Gegenständen an sich in "Gewalt und Rohheitsdelikte" münden würde. Kritiker der Leipziger Verordnung hatten zudem bereits zuvor argumentiert, dies verringere nicht die Kriminalität, sondern verlagere sie nur in andere Viertel der Stadt.
Medium: Kölnische Rundschau
Datum: 08.11.2021
Autoren: Sandro Schmidt und Simon Westphal