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Rechte Bildungsarbeit – Ministerium fördert Partei-Stiftung

Verschwörungsideologien, Referenten mit rechtsextremen Kontakten – so sieht Bildungsarbeit der AfD-Stiftung aus. Das Innenministerium von Brandenburg gewährt Förderung.

 

Eine Szene, wie sie sich jede Woche in Klassenzimmern abspielt. Vorne steht ein Lehrer, hält seine Brille in der Hand. Auf dem Tisch steht ein Laptop. Während er referiert, wandert sein Blick zwischen Laptop und Raum umher. Götz Frömming ist ganz in seinem Element. Bevor er als Politiker für die AfD in den Bundestag einzog, arbeitete er als Lehrer. Frömming steht aber nicht in einem Klassenzimmer, sondern hält einen Vortrag vor einem anderen interessierten Publikum.

Dort erklärt er zum Beispiel: „Etwa 98 oder 99 Prozent aller antisemitischen Handlungen und Äußerungen an Schulen kommen nicht von Schülern deutscher Herkunft oder Muttersprache.“ Ein Video der Veranstaltung dokumentiert weitere, ähnliche Aussagen. 

Bei der kommenden Wahl wird Frömming einmal mehr für einen Sitz im Bundestag kandidieren. Er geht als Direktkandidat im Wahlkreis 56 (Prignitz/Ostprignitz-Ruppin/Havelland) für die AfD ins Rennen. Doch die Aussagen entspringen keinem Wahlkampfauftritt. Sie stammen von einem Fachvortrag zur Bildungspolitik. „Seine eigene Erfahrung“ habe den Bundestagsabgeordneten zu diesen Erkenntnissen kommen lassen.

Bemüht man Zahlen des Jahresberichtes des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), zeigen diese, dass drei Prozent der antisemitischen Vorfälle im Jahr 2023 einen islamistischen oder islamischen Hintergrund hatten.

Die Erasmus-Stiftung-Brandenburg

Dass die AfD sich rassistischer Rhetorik bedient, ist nichts Neues. Das Ungewöhnliche an dem Vortrag ist, dass er mit Steuergeld gefördert wurde. Und zwar vom Innenministerium Brandenburg.

Um zu verstehen, wie solche Vorträge durch Steuergeld gefördert werden, lohnt sich ein Blick auf den Verbreiter des erwähnten Videos. Ausschnitte finden sich auf Kanälen der Erasmus-Stiftung-Brandenburg. Dort war Götz Frömming im Herbst 2024 zweimal zu Gast, um über Bildung zu referieren. Beide Veranstaltungen wurden durch das Innenministerium Brandenburg gefördert.

Die Stiftung ist laut ihrer eigenen Webseite „ideell mit der Alternative für Deutschland (AfD) verbunden“. Wie viele andere Parteien hat auch die AfD ihre parteinahe Stiftung. In ihrem Fall ist das die „Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Das ist die Bundesstiftung der Partei.

In Brandenburg hat sie obendrein eine Landesstiftung, die erwähnte Erasmus-Stiftung-Brandenburg. Vorstandsvorsitzender ist seit ihrer Gründung im Jahr 2016 Rainer van Raemdonck, ein AfD-Politiker in Falkensee, ebendort befindet sich der Sitz der Stiftung.Während die Bundesstiftung von staatlicher Förderung ausgeschlossen ist, sieht das bei der Landesstiftung anders aus. Brandenburg ist jedoch das einzige Bundesland in Deutschland, das die AfD-Stiftung fördert. Mit insgesamt knapp 100.000 Euro in den vergangenen drei Jahren für Projekte.

AfD-Stiftung – Innenministerium gibt Geld für Projekte

Das Innenministerium dazu: „In diesem Rahmen hat die Erasmus-Stiftung-Brandenburg im Zeitraum 2022 bis 2024 insgesamt rund 96.000 Euro an Förderungen als parteinahe Stiftung erhalten.“ Vorträge, Seminare wie auch zwei Studien wurden gefördert.

Die Fördersummen erhielt die Stiftung, obwohl der Verfassungsschutz in Brandenburg die AfD bereits seit 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft. Informationen über eine geplante Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ machten zuletzt die Runde.

Landtagsabgeordneter mit Kontakten zum Rechtsextremismus

Gideon Botsch, Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus (EJGF) am Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam, schreibt dazu: „Verstörend ist, wie das Land offenbar still und leise unter Vermeidung einer öffentlichen Debatte Steuergelder an eine Stiftung vergibt, die einer vermutlich rechtsextremen Partei (Verdachtsfall) nahesteht“.

Dies unterstreicht aus seiner Sicht die Befürchtung, dass sich die zurückliegende Regierung unter Dietmar Woidke (SPD) und Innenminister Michael Stübgen (CDU) schrittweise vom „Brandenburger Weg“ der Rechtsextremismus-Prävention abgewendet habe.

Neben Götz Frömming hielt auch Dominik Kaufner im Herbst einen Vortrag für die Stiftung. Er sitzt seit 2024 im Landtag – und war, wie Frömming, früher als Lehrer tätig. Kaufner nahm in der Vergangenheit an Veranstaltungen des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek teil. Und auch bei einem Vernetzungstreffen der rechten Szene im Jahr 2022 war er anwesend. Zu den Gästen des damaligen Abends zählten laut Spiegel unter anderem der Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner und der völkische Schriftsteller Benedikt Kaiser.

Verschwörungserzählungen während des Vortrages

Zum Ende des Jahres veranstaltete die Erasmus-Stiftung-Brandenburg zwei Vorträge zum Thema „Corona: Wer sind die Täter?“ einen in Cottbus und einen in Oranienburg. Gefördert durchs Innenministerium. Referentin war Dr. Daniela von Oeynhausen. Sie ist so wie Kaufner Mitglied des Brandenburger Landtages. Der Vortrag in Oranienburg wurde von Blogger und „Reichsbürger“ Björn Winter alias Björn Banane, der für die Landtagsabgeordnete von Oeynhausen arbeitet, auf YouTube gestreamt.

Gäste aus dem Publikum rufen mehrfach, dass die Corona-Pandemie geplant gewesen sei und ein politisches Ziel verfolgt habe. Ein Mann sagt: „Wir hören Zahlen im Internet, dass es weltweit eine zweistellige Millionenzahl Tote durch Impfungen gibt. Die nähern sich der Opferzahl der Toten im Zweiten Weltkrieg. (...) Ich bin der Meinung, wir müssten Militärprozesse haben. In der Art wie Nürnberg 1947 oder 1945, wann das auch war.“ Es folgt Beifall. Daniela von Oeynhausen steht neben ihrer PowerPoint-Präsentation und nickt verständnisvoll.

Ihre Antwort: „Ich wäre schon dankbar, wenn wir eine andere Regierung bekämen, am besten mit AfD-Beteiligung. Damit wir mal in die Aktenkeller kämen. Solange diejenigen, die das zu verantwortet haben, überall an den Schalthebeln der Macht sitzen.“

Was sagen eigentlich die Stiftung und die AfD zu solchen Vorfällen und zur staatlichen Förderung? Nichts. Beide haben auf Anfragen zu Stellungnahmen nicht reagiert.

Förderungen trotz rechtsextremistischen Verdachtsfall?

Derartige Veranstaltungen zu fördern, stützt sich auf die „Richtlinie für Zuwendungen an parteinahe Stiftungen und kommunalpolitische Vereinigungen für Zwecke der politischen Bildungsarbeit“. Doch eine Richtlinie ist kein Gesetz.

Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, sieht die rechtliche Situation zur Stiftungsförderung kritisch. Im Gespräch sagt er: „Man braucht auch in Brandenburg dafür ein Gesetz. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ergibt sich das eindeutig.“ Denn im Bund wurde 2023 ein Stiftungsförderungsgesetz verabschiedet, drei Bundesländer haben bereits ein solches Gesetz. Und die, die keines haben, fördern die Landesstiftung trotzdem nicht.

Förderung in Brandenburg – Grundordnung in Gefahr?

Im Richtlinienkatalog des Potsdamer Innenministeriums findet sich hingegen nur folgender Punkt: „Die Tätigkeit der Zuwendungsempfangenden muss mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang stehen.“ Zuwendungsempfängerin ist die Erasmus-Stiftung-Brandenburg. Diese ist nicht als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.

Staatsrechtsprofessor Ogorek dazu: „Da die Stiftung in Brandenburg nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird, liegt es nahe, dass sie nach der Regelung des Landes-Innenressorts gefördert werden müsste.“

Nach eigenen Angaben prüfe das Innenministerium, ob die Tätigkeit der Stiftung im Einklang mit der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung sei. Dazu heißt es auf Anfrage: „Konkrete Anhaltspunkte, dass die Tätigkeiten der Erasmus-Stiftung Brandenburg e.V. nicht im Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, liegen aktuell nicht vor.“

Die Stiftung kann sich Hoffnung auf institutionelle Förderung machen. Denn in den Förderrichtlinien steht: „Wenn sich die Zuwendungsempfangenden im Rahmen der Projekt-Förderung bewährt haben, erhalten sie nach Ablauf von zwei Jahren eine institutionelle Förderung. Die institutionelle Förderung dient der Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben der Zuwendungsempfangenden.“ Ein Gesetz, das dies ändern könnte, sei nicht in Planung, heißt es dazu aus dem Innenministerium.
 

Medium: Märkische Oderzeitung
Datum: 15.01.2025
Autor: Jakob Kerry


     



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