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Rabbi: "Chapeau vor der Uni Köln"

Demonstrationen und ein hohes Polizeiaufgebot begleiteten den Besuch des israelischen Botschafters Ron Prosor

 

Eine lange Reihe Mannschaftswagen der Polizei parkt am Rand der Universitätsstraße, vor dem Hauptgebäude der Uni stehen kleinere Gruppen von Einsatzkräften, teilweise haben sie Helme vorsorglich unter dem Arm. Ein beachtliches Polizeiaufgebot und hohe Sicherheitsvorkehrungen begleiteten am Montag den Besuch des israelischen Botschafters Ron Prosor in der Universität zu Köln.

10.30 Uhr. Die Stimmung ist angespannt. Direkt gegenüber dem Uni-Hauptgebäude hat ein Pro-Israel-Bündnis, zu dem unter anderem die Deutsch-Israelische Gesellschaft Köln und der Zusammenschluss City of Hope gehören, zu einer Kundgebung aufgerufen. Rund 50 Menschen finden sich ein. Über die Universitätsstraße marschiert, eskortiert von reichlich Polizei, ein Pro-Palästina-Demonstrationszug bis zur Unibibliothek. Hier skandieren etwa 80 Teilnehmende Slogans wie „Free Palestine“. Der Botschafter kommt noch bevor sich beide Demonstrationen gegenüber stehen. Gegen 10.30 Uhr, gut eine Stunde, bevor er im Rahmen der „Kölner Gespräche zu Recht und Staat” einen Vortrag zur Reaktion Israels auf den Terrorangriff der Hamas und zur aktuellen Situation halten wird, fahren schwarze Limousinen vor dem Hauptgebäude vor. Sicherheitsbeamte steigen aus, auch die Uni hat ihren eigenen Sicherheitsdienst für das Hauptgebäude aktiviert. „Ich komme mit Freude, um die Sachen darzustellen wie sie wirklich sind”, sagt Prosor (65) zu den zahlreichen Medienvertretern.

Im Vorfeld der Veranstaltung, zu der die Juristische Fakultät eingeladen hatte, hatte es reichlich Spannungen gegeben. Pro-Palästinensische Gruppen sowie die Hochschulgruppe Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (SDS) hatten eine Gegendemonstration angekündigt, am Donnerstag gab es eine großflächige anti-israelische Schmiererei am Hauptgebäude. „Diese Veranstaltung war für die Uni Köln eine schwierige Veranstaltung“, gibt Professor Markus Ogorek unumwunden zu. Er ist Organisator der „Kölner Gespräche zu Recht und Staat“, einer Veranstaltungsreihe, in der prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Rede und Antwort stehen.

„Im Vorfeld gab es Vorfälle einschließlich Hetze“, sagt Ogorek. Dennoch habe man keine Sekunde gezögert, an der Veranstaltung festzuhalten. Den Raum für Diskussionen und einen Diskurs wolle sich die Universität auf keinen Fall nehmen lassen. „Ich glaube ganz fest daran, dass wir gemeinsam Neutralität durch Pluralität erzeugen werden“, sagt Ogorek, bevor der Botschafter seine Sicht der Dinge darstellt und sich Fragen aus dem mit rund 300 Menschen voll besetzten Hörsaal stellen lässt. Im Publikum sind unter anderen die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs des Landes NRW, Barbara Dauner-Lieb, und die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos).

„Israel wird nie wieder so sein wie vor dem 7. Oktober“, sagt Prosor und erläutert die ungeheuerliche Dimension des Terroranschlags der Hamas. Israel habe jetzt „die Pflicht und das Recht“, sich zu verteidigen. „Wir müssen die Infrastruktur der Hamas beseitigen“, sagt er und stellt klar: „Wer die Anschläge nicht verurteilt, ist kein Ansprechpartner.“ Gut 45 Minuten stellt er sich dann Fragen. Auch kritischen. „Wäre es möglich, mildere Mittel in Gaza einzusetzen?“, möchte eine Studentin wissen. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit sei schwierig zu beantworten, meint Prosor nachdenklich. Daran, die Terrororganisation zu beseitigen führe kein Weg vorbei. „Wie soll es denn weitergehen?“, fragt Dauner-Lieb. Neue Strukturen müssten geschaffen werden, ein Frieden auf Dauer erreicht werden, findet der Botschafter.

„Wir haben viele Probleme“, sagt Prosor. Lösungen müssen mühsam gesucht werden. Gefunden hat man sie bei diesem Auftritt in Köln nicht. Das hat auch keiner erwartet. Was man jedoch gefunden hat, war ein offener Diskurs. „Eine sehr wichtige Veranstaltung“, urteilt die Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofs während sie zu ihrer Limousine eilt. Jechiel Brukner, Rabbi der Kölner Synagogen-Gemeinde, scheint völlig beseelt nach der Veranstaltung: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Veranstaltung möglich ist. Chapeau vor der Uni Köln.“
 

Medium: Kölnische Rundschau
Datum: 15.01.2024
Autorin: Diana Hass und Sarah Lasyan