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Problematischer AfD-Stammtisch

Mitglieder oder Sympathisanten der rechten Partei beim Verfassungsschutz ausfindig zu machen, trifft auf rechtliche Hürden.

 

Unlängst wurde bekannt, dass es beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einen „Stammtisch“ von Angehörigen des Dienstes gibt, die eine Mitgliedschaft in der oder Sympathie für die AfD eint. Die Berichte darüber haben zu Recht hohe Wellen geschlagen – zu greifbar sind für viele noch die Versäumnisse des Amtes im Fall des rechtsterroristischen „NSU“, zu verstörend ist das immer offensichtlichere Abgleiten seines früheren Präsidenten Hans-Georg Maaßen in das verschwörungsideologische Spektrum. Wer in der Existenz der aufgedeckten Gruppe nun ein (weiteres) Manko beim Verfassungsschutz sehen möchte, greift indes zu kurz.

Worum geht es in der Sache? Mitarbeiter dürfen ihren Arbeitgebern bestimmte Informationen vorenthalten, darunter ihre politische Überzeugung oder ihre parteipolitische Präferenz. Dies gilt auch für Staatsdiener, jedenfalls solange nicht – wie etwa zur NPD – ein anderslautendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt. Wer allerdings bei einer Behörde arbeitet, die Verfassungsfeinde beobachtet oder Spione gegnerischer Mächte ausfindig machen soll, dem muss der Staat besonders vertrauen können. BfV-Mitarbeitende müssen sich daher einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen, die Angaben über „Beziehungen zu verfassungsfeindlichen Organisationen“ einschließt.

Begrifflich etwas irreführend, sind damit auch Parteien gemeint, die – wie die AfD – nicht verboten sind, jedoch vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Beziehung zu einer solchen Partei führt zwar nicht per se zum Nichtbestehen der Überprüfung, sie gibt aber gewichtige Hinweise. Neben der Selbstauskunft nimmt das BfV Befragungen nahestehender Personen vor, die ebenfalls Aufschluss über Zweifel an der Verfassungstreue von Mitarbeitenden liefern können. Eine absolvierte Sicherheitsüberprüfung ist erst nach fünf Jahren zu wiederholen, außer der Dienst erlangt dazwischen relevante Erkenntnisse.

Für den Umgang mit dem in den Fokus geratenen „Stammtisch“ ergeben sich hieraus mehrere Schlussfolgerungen. Wer bloßer Sympathisant der AfD ist, steht dadurch mit der Partei nicht in einer meldepflichtigen „Beziehung“. Nur wenn Kollegen, Freunde oder die Medien Hinweise geben, kann der Dienst diese in einer laufenden Überprüfung aufgreifen oder zum Anlass für eine vorgezogene Neubewertung nehmen. Bis vor wenigen Tagen waren solche Anhaltspunkte im aktuellen Fall nicht bekannt. Mitglieder der AfD hingegen müssten ihre Parteizugehörigkeit im Rahmen ihrer nächsten Überprüfung aktiv offenlegen. Da die Partei erst seit einem Jahr als „Verdachtsfall“ gilt, dürfte der Prozess in den allermeisten Fällen noch nicht angestanden haben. Eine Pflicht, das BfV zwischenzeitlich auf die Parteimitgliedschaft hinzuweisen, sieht das Recht ausdrücklich nicht vor.

Hier kann berechtigte Kritik ansetzen – allerdings am Gesetzgeber und nicht am Verfassungsschutz. Dessen heutiger Präsident Thomas Haldenwang ahnte früh, dass es AfD-Verbindungen in den eigenen Reihen geben könnte und forderte deshalb 2020 alle Beschäftigten auf, eine etwaige Nähe zur Partei aus freien Stücken offenzulegen. Zwar konnten bereits einige risikobehaftete Mitarbeiter versetzt werden. Dass eine vollständige Aufdeckung über freiwillige Appelle gelingen würde, galt aber als ausgeschlossen. Diese Annahme hat sich nun bestätigt. Der Bundestag sollte den jetzigen Fall daher zum Anlass nehmen, auch die Zeiträume zwischen den Sicherheitsüberprüfungen verstärkt in den Blick zu nehmen und durch dauerhafte Auskunfts- und Mitwirkungspflichten die im Kampf gegen den Rechtsextremismus hoch glaubwürdige BfV-Spitze endlich mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten.
 

Medium: Kölner Stadt-Anzeiger
Datum: 08.03.2023
Autor: Markus Ogorek (Gastbeitrag)