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Plötzlich sind die Knöllchenjäger da

In der Troschelstraße ist das Gehwegparken seit Jahren geduldet. Jetzt verteilte das Ordnungsamt Strafzettel

 


BONN. Die Troschelstraße ist eine kurze Anwohnerstraße in Poppelsdorf, etwa hundert Meter lang. Sie liegt zwischen Blücher- und Luisenstraße. Als Durchgangsstraße hat sie keine nennenswerte Bedeutung. Anwohner parken hier ihre Autos schräg auf dem Gehweg, so wie es in den benachbarten Straßen durch ein Schild erlaubt ist. In der Troschelstraße gibt es aber kein solches Schild.

Jahrzehntelang, so schildern es zwei langjährige Anlieger, war das sogenannte Gehwegparken geübte Praxis: Weder Burkhard von Hofe noch Jürgen Theisen können sich daran erinnern, dass das Ordnungsamt jemals Knöllchen verteilt hat. Doch am Mittwochabend zu später Stunde kamen vier Mitarbeiter des Ordnungsdienstes und bedachten jeden falsch abgestellten Wagen – etwa 25 Stück – beziehungsweise deren Besitzer mit einem 55-Euro-Knöllchen. Am Donnerstagabend kamen die Ordnungshüter der Stadt erneut: mit dem selben Ergebnis.

Die Verärgerung über diesen Einsatz ist beim Mediziner von Hofe groß: „Ich finde dieses Vorgehen unverschämt. Als Bürger warte ich Monate auf einen Termin im Bürgeramt, und die Stadt nimmt sich heraus, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Knöllchen in einer Straße zu verteilen, in der das Schrägparken jahrzehntelang geduldet wurde.“ Die Troschelstraße sei eine reine Anwohnerstraße. „Warum sollen die Anlieger hier nicht parken dürfen?“

Der Wegfall von Parkplätzen, für den es aus seiner Sicht kein alternatives Angebot gibt, ist das eine. Zum anderen kritisiert von Hofe, dass die Stadt sofort zur Kasse bittet, statt zunächst zu informieren. Er habe die Grünen zwar gewählt, werde das aber sicherlich nicht ein weiteres Mal tun: „Die Durchsetzung der Verkehrswendeprojekte in dieser Form halte ich nicht für bürgernah.“

Sein Nachbar Theisen betont: „Wir sind keine Wutbürger und keine Menschen, die sich gegen eine lebenswerte Stadt mit Vorrang für Fußgänger und Radfahrer wenden. Wir akzeptieren für dieses Ziel auch ,unbequeme’ Entscheidungen und Konsequenzen.“ Der „Überfall des Ordnungsamtes“ sei aber nicht akzeptabel. Seit 34 Jahre wohne er in der Troschelstraße. Nie habe es Beanstandungen vonseiten der Behörde gegeben. Und weiter: „Das heißt, wir vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, dieses nicht durch ein entsprechendes Verkehrszeichen gekennzeichnete Parken zu tolerieren. Das Stichwort heißt Vertrauen.“ Vernünftig, deeskalierend, angemessen und bürgernah wäre es gewesen, die Anwohner auf die künftige Vorgehensweise hinzuweisen. „Das kostet nicht mehr als etwas gedanklichen Aufwand.“ Möglich wäre schließlich – wie in den umliegenden Straßen auch – das Aufstellen eines Schildes, nach dem das Schrägparken gestattet ist.

Wie Ralf Bockshecker, Amtsleiter der Bürgerdienste, dem GA auf Nachfrage sagte, seien der Kontrolle durch den Ordnungsdienst konkrete Beschwerden von Bürger vorangegangen, in der Troschelstraße würden nicht die erforderlichen Gehwegbreiten eingehalten. „Als Ordnungsbehörde müssen wir darauf reagieren. Das ist ein Fall, der jeden Tag so auch in anderen Straßen passieren kann“, sagt Bockshecker.

Der Stadtordnungsdienst könne nicht flächendeckend das gesamte Stadtgebiet im Auge behalten. „Wenn aber auffällt oder über Beschwerden bekannt wird, dass in einer Straße regelmäßig falsch geparkt wird, wird kontrolliert, weil falsches Parken immer auch zu Lasten der Verkehrssicherheit geht.“ Parken zu tolerieren, das nach der Straßenverkehrsordnung nicht erlaubt ist, könne nicht der Maßstab sein, den die Stadt anzulegen hat. Auf ein Gewohnheitsrecht könne sich niemand berufen.

In der Max-Bruch-Straße in Endenich erzürnte die Stadt im vergangenen Jahr Anwohner, indem sie dort auf einer Straßenseite ein Halteverbot einrichtete, wo zuvor schräg geparkt wurde. Nach Entscheidung der Bonner Bezirksvertretung wurde das Halteverbot wieder aufgehoben. Der Wegfall von rund 150 Parkplätzen am Rheinufer sorgte unter den Anwohnern zwar auch nicht für Heiterkeit. Damals aber schrieben die Ordnungsdienstler in den ersten Tagen sogenannte Null-Euro-Tickets. Ein Verfahren, das von Hofe und Theisen in der Troschelstraße ebenfalls für angemessen gehalten hätten.

Null-Euro-Knöllchen nur, wenn sich Regeln ändern

Diese Form von Warnknöllchen sind aus Sicht von Amtsleiter Bockshecker ein Mittel, wenn sich Regeln ändern wie am Rheinufer nach Abbau eines Schräg-Parken-erlaubt-Schildes. In solchen Fällen dauere es üblicherweise, bis die Bürger sich an die neue Situation gewöhnt hätten. Bei der ab dem Frühjahr geplanten Einführung zusätzlicher Fahrradstraßen und breiterer Gehwege, die mit dem Wegfall öffentlicher Parkplätze verbunden ist, würden die Bürger vorab informiert, vermutlich mit einem Bürgerbrief.

Aus Sicht von Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Uni Köln, ist das Handeln des Ordnungsdienstes vermutlich rechtskonform. Auch wenn das unerlaubte Schrägparken über Jahrzehnte nicht geahndet wurde, bleibe es eine Verkehrsordnungswidrigkeit. „Es kann sich aber als sinnvoll erweisen, zunächst einen Warnschuss abzugeben.“ In Siegburg habe die Stadt in einem ähnlich gelagerten Fall zunächst „gelbe Karten“ verteilt. Bürgernäher sei das in jedem Fall.
 

Medium: Bonner General-Anzeiger
Datum: 27.01.2024
Autor: Philipp Königs