Nach einem Vorfall bei der AfD-Fraktion in NRW hat Landtagspräsident André Kuper (CDU) juristisch untersuchen lassen, welche Mittel seiner Landtagsverwaltung zur Verfügung stehen, wenn Parlamentarier oder Fraktionen Extremisten beschäftigen. Der Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten war wegen einer antisemitischen Gewalttat vom Amtsgericht Heidelberg rechtskräftig verurteilt worden. Er hatte mit zwei Mittätern auf einen Studenten mit jüdischen Wurzeln eingeschlagen und diesen verletzt. Zudem ergab eine Recherche des Bayerischen Rundfunks im Frühjahr, dass die AfD-Bundestagsfraktion und ihre Abgeordneten mehr als 100 Personen beschäftigen, die in Organisationen aktiv sind, die von Verfassungsschutzämtern als rechtsextremistisch eingestuft werden.
In dem nun erstellten Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt, beschäftigt sich der Kölner Verwaltungsrechtsprofessor Markus Ogorek auch mit der Frage, ob Mitarbeitern über das Hausrecht der Zugang zum Landtag untersagt oder beschränkt werden darf. Im Ergebnis sind nach Ansicht des Gutachters „nach geltender Rechtslage nur sehr eingeschränkte Maßnahmen gegen Beschäftigte von Abgeordneten und Fraktionen mit extremistischen Verbindungen möglich“. Die entsprechenden Gesetze seien „entweder sehr weit, und daher rechtsunsicher, oder im Gegenteil gerade zu eng gefasst, um den Landtag effektiv schützen zu können“.
Angesichts zahlreicher realer Bedrohungsszenarien sieht der Jurist jedoch Handlungsbedarf. Verbesserungen ließen sich durch Neuregelungen in der Hausordnung umsetzen: Der Fokus dabei könne auf der Neugestaltung des Gebäudezugangs und des IT-Zugriffs liegen. Konkret schlägt Ogorek vor, den Mitarbeitern anders als bislang nur minimale Rechte zuzugestehen und diese erst nach einer Zuverlässigkeitsüberprüfung aufzustocken. Er fügt hinzu: „Die Überprüfung basiert auf polizeilichen Auskünften sowie solchen des Verfassungsschutzes.“ Bislang müssen die Beschäftigten im Landtag lediglich ein einfaches Führungszeugnis vorlegen. Empfohlen wird zusätzlich, eine Verfassungstreueklausel in die Musterarbeitsverträge als niedrigschwellige, rechtlich unverbindliche Maßnahme mit symbolischem Charakter aufzunehmen. Außerdem rät Ogorek zu förmlichen Geheimhaltungsverpflichtungen insbesondere bei relevanten Tätigkeiten im Innen- oder Wirtschaftsausschuss, also dazu, häufiger Vorgänge als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ einzustufen. Dies ermögliche strafrechtliche Sanktionierungen, zumindest aber die Einleitung von Strafermittlungen, und könne dadurch einen Abschreckungseffekt haben.
Parlamentspräsident Kuper sagte unserer Redaktion: „Verfassungsfeinde machen Stimmung gegen die Demokratie: in sozialen Medien, in Schulen und auch in Parlamenten. Extremisten gehören nicht in Parlamente, denn hier, im Herzen der Demokratie, sind sie besonders gefährlich.“ Man habe die Sicherheitsvorkehrungen bereits 2023 angepasst. Kuper bestätigte, das Gutachten in Auftrag gegeben zu haben, „um unsere Möglichkeiten zu prüfen, das Parlament noch besser zu schützen. Wir beraten rechtliche Handlungsmöglichkeiten, ohne jedoch das freie Mandat zu beschränken.“ Es gehe darum, die Handlungsfähigkeit und Wehrhaftigkeit des Landtags zu sichern, wenn Fälle bekannt würden, dass Beschäftigte von Abgeordneten und Fraktionen Organisationen angehören oder diese unterstützen, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden, sagte Kuper und fügte hinzu: „Der Landtag bleibt ein offenes Haus der Bürgerinnen und Bürger. Jeder soll sich hier sicher fühlen.“
Auch der bayerische Landtag hat sich mit dem Thema beschäftigt – aus arbeitsrechtlicher Perspektive. Im Ergebnis kommt ein Gutachten zu dem Schluss, dass eine Erstattung des Gehalts für Mitarbeiter aus öffentlichen Geldern verweigert werden könne, wenn sie sich etwa in verbotenen Organisationen engagieren oder engagiert haben. Gleiches gälte demnach für die Mitarbeiter der Fraktionen. Hier käme eine Kürzung der Fraktionsmittel in Betracht. Zudem könne den Mitarbeitern die Erstattung der Gehälter verweigert werden oder Fraktionsmittel gekürzt werden, wenn sie Spionageaktivitäten für andere Staaten entfalteten.
Medium: Rheinische Post
Datum: 30.07.2024
Autor: Maximilian Plück