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Neue wissenschaftliche Auswertung: So verfassungsfeindlich ist die Thüringer AfD

Für den Thüringer Verfassungsschutz ist die Lage klar: Der Landesverband der AfD ist „gesichert rechtsextrem“. Die Wählerinnen und Wähler der Partei hat das bei der Landtagswahl jedoch nicht abgeschreckt. Das Kölner Institut für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre hat öffentliche Äußerungen der Thüringer AfD nun einer unabhängigen Überprüfung unterzogen.

 

Berlin. Der Thüringer Landesverband gilt selbst für AfD-Verhältnisse als besonders rechtsextrem. Der Thüringer Verfassungsschutz stuft ihn als „gesichert extremistisch“ ein. Trotzdem ist die AfD in Thüringen die Gewinnerin der Landtagswahl vom vergangenen Sonntag. Fast 33 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben der Partei ihre Stimme. Weil viele davon der staatlichen Bewertung der Partei durch den Verfassungsschutz längst nicht mehr trauen, haben Wissenschaftler des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln nun eine eigene Untersuchung veröffentlicht.

Die Forscher unter Leitung des Institutsdirektors Markus Ogorek haben mehr als 1000 öffentlich zugängliche Veröffentlichungen der AfD Thüringen untersucht und laut eigenen Angaben etwa 150 potenziell verfassungsfeindliche Äußerungen identifiziert.

150 potenziell verfassungsfeindliche Äußerungen öffentlich einsehbar

Auf der Onlineplattform des „ExtremismusMonitor Thüringen“ sind diese Äußerungen nun zusammen mit juristischen Einschätzungen einsehbar. Facebook-Posts des Landesverbands und von AfD-Landeschef Björn Höcke etwa, in denen deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund die Volkszugehörigkeit abgesprochen und Angst vor einer „Überfremdung Deutschlands“ verbreitet wird. Auch Beispiele für die Verwendung antisemitischer Stereotype oder die Ablehnung und Bekämpfung des Rechtsstaats und des Parteienwettbewerbs haben die Forscher zusammengetragen.

„Über keine Partei gehen die Meinungen so weit auseinander wie über die AfD: Viele halten Sie für eine ernsthafte Bedrohung der Demokratie, andere für die einzig wählbare politische Kraft“, erklärte der Staatsrechtler und Institutsleiter Markus Ogorek in einer Pressemitteilung. „Trotz interner Machtkämpfe ist Höcke weiterhin eine der Führungsfiguren der Gesamtpartei und auf Marktplätzen ebenso wie in sozialen Netzwerken überaus präsent“, so Ogorek. Mittlerweile gelte der gesamte AfD-Landesverband als gesichert extremistisch. „Vor diesem Hintergrund hat es viele besorgt, dass der öffentliche Zuspruch nicht nachließ und die Thüringer AfD nun sogar stärkste Kraft im Landtag des Freistaats geworden ist.“

Nur frei abrufbare Äußerungen einbezogen

Viele Anhängerinnen und Anhänger der AfD seien überzeugt, dass dem Verfassungsschutz ohnehin nicht zu trauen sei und einzelne Meinungsbekundungen aus der AfD durch „politisch-mediale Eliten“ aufgebauscht würden. Deshalb habe sich sein Institut vor einem halben Jahr zu einer systematischen Sichtung der Äußerungen von Vertreterinnen und Vertretern der AfD-Thüringen in Bundestag und Europaparlament, Landesverband und Landtagsfraktion sowie Kreisvorständen und -tagen entschlossen. Dabei haben Ogorek und seine Kollegen nur Äußerungen berücksichtigt, die für jedermann frei abrufbar waren. Außerdem habe der Fokus auf vergleichsweise aktuellen Inhalten gelegen.

Der „ExtremismusMonitor Thüringen“ unterstreiche, wie gefährlich rechtsextremistische Tendenzen für das demokratische Miteinander sein können, meint Professor Ogorek. Das gelte besonders mit Blick auf mögliche Koalitionsbildungen in Thüringen. „Auch wenn unsere Studie die Verfassungsfeindlichkeit des Landesverbands nahelegt, kann über die Bewertung jedes einzelnen der dort präsentierten Belege letztverbindlich nur die Justiz entscheiden“, erklärte er. Das Onlineportal sei daher „vor allem ein Nachschlagewerk zur eigenen Bewertung für alle Bürgerinnen und Bürger, die unseren Schlussfolgerungen folgen können, aber selbstverständlich nicht müssen.“
 

Medium: RedaktionsNetzwerk Deutschland
Datum: 04.09.2024
Autor: Felix Huesmann