In NRW gilt seit dieser Woche eine neue Corona-Schutzverordnung. Sie dient der Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse zum zweiten "harten Lockdown". Wie jetzt deutlich wird, geht die schwarz-gelbe Landesregierung von NRW in einem der zentralen Punkte über die gemeinsame Vereinbarung hinaus: „Die Neuregelung greift erheblich in den privaten Raum ein“, sagte Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, unserer Zeitung.
Lange galt, dass Personengrenzen und Mindestabstände im öffentlichen Raum verbindlich angeordnet wurden. Im privaten Bereich blieb es bei einer „dringlichen Empfehlung“. „Damit trugen Bund und Länder der Bedeutung der durch Artikel 13 Grundgesetz besonders geschützten Wohnung Rechnung“, so Professor Ogorek. Einzig Bayern hatte sich bereits frühzeitig für Kontrollen im privaten Raum ausgesprochen.
Nun ist die NRW-Landesregierung dem Freistaat gefolgt und hat „Partys und vergleichbare Feiern (...) generell untersagt“ – also auch in der Wohnung.
Bereits private Treffen mit mehreren Menschen sind untersagt
Mit dem generellen Verbot von Feiern sieht die neue Verordnung nun eine niedrige Eingriffsschwelle vor. „Das Einschreiten der Behörden setzt nicht voraus, dass sich 50 oder 100 Feierwütige unter einer Diskokugel zusammenfinden“, sagte Ogorek. Träfen beispielsweise einige Studenten in einer Wohnung zum abendlichen Bier- oder Weintrinken zusammen, könnten sie bereits gegen die Verordnung verstoßen.
Wer gegen das Verbot verstößt, muss mit harten Konsequenzen rechnen. Neben einem in der Verordnung vorgesehenen Bußgeld von bis zu 25.000 Euro droht auch eine Auflösung durch die Behörden. „So könnte die Polizei nach dem Polizeigesetz einen Platzverweis aussprechen und die Zusammenkunft auflösen. Kommen Personen dieser Aufforderung nicht nach, droht sogar die Ingewahrsamnahme“, erklärte der Verwaltungsrechtsexperte. Dann wären die Einsatzkräfte auch zum Betreten der Wohnung befugt.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte kürzlich erst erklärt, es werde von der Polizei an Weihnachten keine Kontrolle von privaten Wohnungen geben. Nun rief er die Bevölkerung auf, über Weihnachten keine Schlupflöcher in den Kontaktregelungen zu suchen. „Wir dürfen jetzt nicht in so eine Mentalität verfallen: wie kriegen wir irgendwie in der Scheune, in der Garage, in der Halbgarage diese Verordnungen umgangen“, mahnte Laschet.
Nach einem „Impf-Gipfel“ mit Spitzenvertretern von Ärzteverbänden und Kommunen appellierte er an die Bürger: „Bleibt einfach zu Hause, macht kleine Einheiten, versucht, so wenig wie möglich Menschen zu treffen, dann können wir diesen Lockdown leben.“ Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) unterstrich: „Partys sind verboten. Punkt.“
Laumann spricht von Auflösung privater Partys
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte unserer Zeitung auf Anfrage, es könne „erforderlich sein, Partys im privaten Raum aufzulösen“ – insbesondere wenn die Polizei von Bürgern darauf hingewiesen wird oder bei Einsätzen im Rahmen von Ruhestörungen: „Die Polizei wird dann mit dem erforderlichen Augenmaß einschreiten“, sagte Reul. Die Maßnahmen würden sich „nach den Feststellungen der Polizisten vor Ort und den daraus resultierenden rechtlichen Befugnissen“ richten.
Thomas Kutschaty, Chef der SPD im Landtag, erklärte: „Ich will bestimmt kein Denunziantentum. Eins muss aber klar sein: Wer in dieser Situation so blöd ist und meint, eine Party feiern zu müssen, der fängt sich den Besuch der Polizei auch zu Recht ein.“
Kommentar
Lautloser Kurswechsel
Dinge, die unangenehm sind, werden in der politischen Kommunikation gerne weggelassen. Auf den Slogan kommt es an, nicht auf das Kleingedruckte. Nach diesem Prinzip geht die schwarz-gelbe Landesregierung jetzt offenbar bei privaten Feiern vor. Die sind derzeit strikt verboten. Polizei-Kontrollen unterm Christbaum werde es aber nicht geben, versprach NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), kürzlich.
Wenn dem tatsächlich so ist, fragt man sich, warum die Landesregierung in der neuen Corona-Schutzverordnung den Rechtsrahmen genau dafür setzt. Das Regelwerk ermöglicht es sogar, Menschen bei Verstößen aus den Wohnungen herauszuholen und in polizeiliche Gewahrsam zu nehmen. Damit ist Nordrhein-Westfalen, ohne dass dies der Landesregierung einer besonderen Erwähnung wert war, auf den harten Kurs von Bayern eingeschwenkt. Beide Länder unterscheiden bei der Durchsetzung von Maßnahmen nicht mehr zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum.
Es ist jetzt nicht die Zeit, um Partys zu feiern. Das verbietet sich angesichts der hohen Infektionszahlen. Aber nicht überall, wo an den Festtagen laute Musik ertönt, läuft eine Fete. Corona hat schon viel Leid mit sich gebracht. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Virus uns zu einem Volk von Spitzeln macht. Klar ist aber auch, dass die neue Corona-Schutzverordnung die Ordnungsbehörden zum Eingreifen ermächtigt. Wer das verschweigt, streut den Menschen Sand in die Augen.
Gerhard Voogt, Kölner Stadt-Anzeiger
Medium: Kölner Stadt-Anzeiger
Datum: 18.12.2021
Autoren: Joachim Frank und Gerhard Voogt