Der Hessische Staatsgerichtshof in Wiesbaden hat sich am Mittwoch bei zwei Anhörungen mit der im vorigen Jahr gegründeten Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (Höms) befasst. Die Koalition aus CDU und Grünen hatte im September 2021 ein Gesetz durch den Landtag gebracht, mit der die Höms als zentrale Hochschule für die Ausbildung hessischer Polizist:innen und Verwaltungskräfte eingerichtet wurde. Aus der Opposition hatte es scharfe Kritik an der Konzeption der Höms gegeben, die vor allem die Polizeiausbildung auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen soll.
Anlass für die Anhörung sind zwei Normenkontrollklagen, mit denen auf der einen Seite die Landtagsfraktionen von SPD und FDP und auf der anderen Seite die teils rechtsextreme AfD erreichen wollen, dass die elf Richter:innen des Staatsgerichtshofs das Gesetz zur Gründung der Höms als unvereinbar mit der hessischen Verfassung einstuften. Bis zu einer Entscheidung kann es Monate dauern.
Hessen: Eine Hochschule ohne echte Selbstverwaltung
SPD und FDP stützen ihre Klage vor allem darauf, dass die Höms zwar als Hochschule nach dem hessischen Hochschulgesetz konzipiert sei, als Polizeibehörde aber weder autonom agieren noch die in der Verfassung geschützte Wissenschaftsfreiheit garantieren könne. Die Höms sei „nur vordergründig“ eine wissenschaftliche Einrichtung, sagte der Kölner Staatsrechtler Markus Ogorek, der die Klage von SPD und FDP vertritt. „Die Höms hält nicht, was sie verspricht“, formulierte Ogorek.
So entscheide das Innenministerium im Zweifel allein über den Präsidenten oder die Präsidentin der Höms, zu den Professor:innen würden auch Polizeiausbilder:innen ohne jede wissenschaftliche Expertise gezählt, das Innenministerium entscheide über die Vergabe von Forschungszulagen und leite somit auch die wissenschaftliche Ausrichtung der Höms „mit goldenen Zügeln“. Im Kuratorium der Höms säßen zudem so viele weisungsgebundene Vertreter:innen von Ministerien, dass an der Höms keine Selbstverwaltung der Wissenschaft gegeben sei.
Hessen: Beuth sieht bei der Höms eine „besondere Struktur“
Monika Böhm, hessische Landesanwältin, stimmte dieser Argumentation zu. Die Höms habe „keine wissenschaftsadäquate Organisation“, und es gebe einen „zu starken Einfluss außerwissenschaftlicher Kräfte“, sagte sie. Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte in der Anhörung, die Höms habe zweifellos eine „besondere Struktur“, weil sie nur Beamt:innen und Polizeianwärter:innen ausbilde. Ihre Organisation sei unter Hessens Hochschulen außergewöhnlich, aber nicht verfassungswidrig. Die Höms sei eigenständiger als ihre Vorgängereinrichtungen.
Hessen: Zweifel an der Argumentation der Regierung
Im Laufe der stundenlangen Anhörung wurde deutlich, dass die Richter:innen erhebliche Zweifel an der Argumentation der Regierung haben. Immer wieder hakten sie nach, warum die Höms überhaupt als Hochschule konzipiert sei, wenn sie im Gegensatz zu anderen Unis nicht primär nach wissenschaftlichen Kriterien funktioniere. Die juristischen Vertreter:innen der Regierung kamen zeitweise argumentativ ins Schwimmen. Am Vormittag hatte bereits die Anhörung zur Klage der AfD stattgefunden. Die Fraktion argumentiert, wegen der Corona-Schutzmaßnahmen, die 2021 einen Teil der Abgeordneten auf die Besuchertribüne des Plenarsaals oder in ihre Büros verbannt hatten, sei der Landtag bei der Lesung des Höms-Gesetzes gar nicht beratungsfähig gewesen. Es wirkte nicht so, als würde das Gericht dieser Sichtweise folgen.
Medium: Frankfurter Rundschau
Datum: 12.07.2023
Autor: Hanning Voigts