zum Inhalt springen

Juristen erteilen Corona-Plänen Absage – warum nicht ganz NRW ein "Hotspot" sein kann

Düsseldorf/Berlin Juristen sagen: Nordrhein-Westfalen kann sich nicht einfach zum Corona-Hotspot erklären und Schutzmaßnahmen festlegen. Das gebe das Infektionsschutzgesetz einfach nicht her – auch nicht mit juristischen Winkelzügen.

 

Kann die Landesregierung ganz Nordrhein-Westfalen zum Corona-Hotspot erklären, um flächendeckend länger schärfere Corona-Regeln zu verhängen? Nein, sagen Experten für Öffentliches Recht im Vorfeld der Debatte im Düsseldorfer Landtag.

 „Man kann nicht einfach aus freiem politischen Ermessen sagen: Unser Land ist ein Hotspot“, sagt Professor Christian Waldhoff, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das neue Infektionsschutzgesetz, das nun bundesweit gilt, mache dafür Vorgaben. „Das schwierigste und wichtigste Kriterium ist, dass eine konkrete Gefahr einer dynamisch sich ausbreitenden Infektionslage in einer konkret zu benennenden Gebietskörperschaft bestehen muss“, erklärt Waldhoff. Wobei „konkrete Gefahr“ ein polizeirechtlicher Begriff sei: Es müsse der Eintritt eines Schadens unmittelbar bevorstehen. Die bloße Befürchtung, dass die Lage schlimmer werden könnte, reicht demnach nicht aus.

Die Befürworter einer Landesweiten Hotspot-Regelung argumentieren, dass jedes Bundesland eine „Gebietskörperschaft“ ist und somit auch ein Hotspot sein könne. Prinzipiell liegen sie damit richtig, erklärt Waldhoff. Nur hält er es nicht für realistisch, dass für ein Flächenland wie NRW wirklich überall gleichmäßig eine konkrete Gefahr besteht. „Das könnte angegriffen werden vor Verwaltungsgerichten und würde vermutlich nicht standhalten“, prognostiziert er. Das Gesetz meine mit diesem Begriff die kommunale Ebene: Städte, Gemeinden, Landkreise.

​​​​Sehr eingehend hat sich auch Professor Markus Ogorek mit dem Thema befasst, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln. „Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn jetzt – in Ansehung der Tatsachen – von der Landesregierung verlangt wird, schärfere Maßnahmen zu ergreifen“, macht er klar: Das Infektionsschutzgesetz lasse das einfach nicht zu. Dazu geht er ins Detail: Erforderlich sei entweder die Ausbreitung einer Virusvariante mit „signifikant höherer Pathogenität“, oder aber die drohende Überlastung der Krankenhauskapazitäten.

Einen Vormarsch einer deutlich gefährlicheren Virusvariante gebe es derzeit anscheinend nicht. „Zulässig ist ein entsprechender Landtagsbeschluss also nur dann, wenn sich eine akut bevorstehende Krankenhausüberlastung belegen lässt. Liegt diese nur örtlich vor, sind auch nur für die betreffenden Orte strengere Beschränkungen zulässig“, resümiert Ogorek.

„Fest steht: Angesichts des aktuellen Höchststandes an Corona-Infektionen seit Beginn der Pandemie mag der Einsatz der bewährten Corona-Schutzmaßnahmen medizinisch klug und politisch wünschenswert sein. Aufgrund der strikten Vorgaben des durch den Bundestag geänderten Infektionsschutzgesetzes sind der Düsseldorfer Landesregierung jedoch zurzeit die Hände gebunden.“ Dem Bundestag stehe es aber natürlich offen, die Hürden für Maßnahmen zu senken.