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Jura-Professor sieht "Offenbarungseid"

Kölner Gelehrter nennt Overather Schwarzbau-Reaktionen "befremdlich"

 

OVERATH/KÖLN. Nach der Zurückweisung seines Gutachtens durch den Overather Bürgermeister Christoph Nicodemus hat der Kölner Rechtswissenschaftler Professor Dr. Markus Ogorek gegenüber diese Zeitung deutliche Kritik an der Overather Stadtverwaltung formuliert und bekräftigt, dass er zu den Aussagen seiner Stellungnahme vom 27. April stehe. Ogorek hatte eine Verlängerung der Duldungsvereinbarungen zwischen der Stadt Overath und den Eigentümern der Schwarzbauten Klef 40 bis 62 an der Agger als machbar beschrieben. Es sei zwar denkbar, dass sich einige Details im Sachverhalt anders darstellten als seie ihm vorgetragen worden seien. Dies müsse aber keine böse Absicht der Bewohner sein. Auf den Menschen laste ein enormer Druck, sie seien schlicht überfordert. 

Für die Stadt Overath hatte Ogorek deutliche Worte: „Die Stadt hat Ermessen. Wenn sie ihre gestalterischen Spielräume aber nicht nutzen will, sollte sie auch so ehrlich sein und das sagen und sich nicht hinter der Rechtsordnung verstecken.“ Auch solle sich die Stadt nicht hinter dem Gleichheitssatz verstecken. Es sei zwar richtig, dass die Stadt nicht willkürlich Schwarzbau-Besitzer unterschiedlich behandeln dürfe. „Der Gleichheitssatz gilt aber nicht absolut. Nur Vergleichbares muss gleich behandelt werden.“ Die Stadt hätte fragen müssen, ob sich der Fall Klef mit anderen vergleichen lasse oder ob es große Unterschiede gebe.

Auch hätte er erwartet, dass sich die Stadt in ihren Bescheiden mit den sozialen Folgen ihrer Abrissverfügungen auseinandersetze, dass sie sich „zum Beispiel die Frage stellt: Wie ist eigentlich die Altersstruktur der Bewohner? Wie ist der Gesundheitszustand? Wie sind die finanziellen Verhältnisse?“ In dem ihm vorliegenden Bescheid an Bewohner-Sprecher Tomas Oelschläger verliere die Stadt darüber keine Silbe.

Wenn Bürgermeister Nicodemus überdies ankündige, er werde die sozialen Aspekte prüfen, wenn es um die Aussetzung der Räumungsverfügungen gehe, frage er sich: „Wieso will er so lange warten? Wieso kann er die sozialen Aspekte nicht vor Erlass der Abrissverfügungen prüfen? Vielleicht gibt es ja ein besseres Mittel?“ Ogorek: „Hand aufs Herz: Hat die Stadt wirklich und ernsthaft geprüft, ob alle sozialen Belange der Einwohner Eingang gefunden haben?“ Der weitere Hinweis von Bürgermeister Nicodemus, man habe die sozialen Belange bei Abschluss der Duldungsvereinbarungen berücksichtigt, komme einem „Offenbarungseid“ gleich. „Das ist doch fast 25 Jahre her. Was kann sich in der Zeit alles geändert haben?“
 

Kommentar 
Sturheit und Härte

Mit seinem Rechtsgutachten in Sachen Schwarzbauten an der Agger hatte der Kölner Universitätsprofessor Markus Ogorek der Stadt Overath eine goldene Brücke gebaut. Mit einer Verlängerung der Duldungsvereinbarungen wäre die Stadt ohne Gesichtsverlust aus dem Klef-Schlamassel herausgekommen und hätte gleichzeitig nicht als seelenlose Bürokratie-Maschine dagestanden. Vor einem Monat hatte die Stadt in Gestalt des Bau-Beigeordneten Thorsten Steinwartz noch beteuert, sie würde ja gerne anders handeln, könne das aber aus rechtlichen Gründen nicht.

Mittlerweise ist das Ei des Kolumbus zwar da, und der Kölner Professor, der sein Gutachten pro bono, ohne Honorar, erstellt hat, bekräftigt, dass es gilt. Doch will Bürgermeister Christoph Nicodemus jetzt die Verwaltungsverfahren durchziehen, um dann am Ende – vielleicht – einigen der Betroffenen eine Art Gnade zu erweisen. Wir halten fest: Die Stadt könnte den 19 Menschen in Klef jetzt helfen, sie will es aber nicht. Die angebliche Zwangslage als Verwaltung erscheint im Lichte des Kölner Gutachtens nur vorgeschoben. Es wird Zeit, dass sich der Stadtrat dazu äußert, ob ihm diese Art von Stadtverwaltung gefällt. 

Stephan Brockmeier, Kölner Stadt-Anzeiger

 

Medium: Kölner Stadt-Anzeiger
Datum: 04.05.2022
Autor: Stephan Brockmeier