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Hochschule und Polizeibehörde zugleich?

Hessischer Staatsgerichtshof entscheidet, ob neue Verwaltungsausbildung verfassungswidrig ist.

 

Kann eine Ausbildungsstätte für Staatsbedienstete zugleich Hochschule und Polizeibehörde sein? In der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Staatsgerichtshof äußerten daran am Mittwoch in Wiesbaden nicht nur die Kläger gegen das Gesetz über die sogenannte Hochschule für öffentliche Sicherheit und Management (HöMS) des Landes aus den Oppositionsparteien SPD und FDP Zweifel. Die kritischen Nachfragen der Verfassungsrichter lassen es als durchaus möglich erscheinen, dass die schwarz-grüne Landesregierung mit dem Neukonstrukt Schiffbruch erleidet. Allerdings gilt es als zweifelhaft, ob das Urteil noch vor der Landtagswahl am 8. Oktober ergeht.

Die beiden klagenden Landtagsfraktionen bekräftigten zum Abschluss der mehrstündigen Verhandlung ihren Antrag, wesentliche Bestimmungen des Gesetzes für verfassungswidrig erklären zu lassen. Sie sehen darin vor allem einen Verstoß gegen die Freiheit der Wissenschaft und die Autonomie der Hochschulen in Hessen. Innenminister Peter Beuth (CDU) verteidigte dagegen die Konstruktion der HöMS, an der ausschließlich künftige Bedienstete von Land und Kommunen in Hessen zusammen mit Polizeianwärtern des gehobenen Dienstes studieren. Dass an der Wiesbadener Hochschule vieles anders ist als an sonstigen Hochschulen des Landes, liege in der Natur der Sache, argumentierten er und der Rechtsbevollmächtigte des Landes, Hermann Günther, sinngemäß.

SPD und FDP kritisieren in ihrer gemeinsamen Klageschrift eine ganze Reihe von Abweichungen vom gewohnten Hochschulbetrieb. So werde der Präsident der HöMS nicht autonom von den Hochschulgremien gewählt, sondern habe der Innenminister bei der Berufung und auch einer „auswichtigem Grund“ möglichen Abberufung des Präsidenten das letzte Wort. Derzeit wird die Hochschule vom ehemaligen Frankfurter Polizeivizepräsiden Walter Seubert, einem Parteifreund Beuths, geleitet. Zudem benenne das Ministerium, den Vizepräsidenten für Polizei und den Kanzler der Hochschule. Und der Einfluss der drei übrigen Vizepräsidenten werde schon dadurch beschränkt, dass der dem Minister genehme Chef bei Stimmengleichheit in dem sechsköpfigen Präsidium entscheide.

Jedweder sonstigen Praxis widerspreche auch, dass die Gruppe der Professoren im Senat der Hochschule zu einem Großteil aus Dozentenbestehe, die weder eine Promotion noch eine Habilitation vorweisen müssten, im Extremfall noch nicht einmal ein abgeschlossenes Studium hätten. Hinzu komme, dass das Ministerium, dem die hessische Polizei untersteht, auch bei den Leistungszulagen der Professoren dieser Hochschule stark mitzureden habe. Zu allem Überfluss müssten die Professoren zudem erst einmal eine Probezeit mit erleichterter Kündigung absolvieren. Der Rechtsbevollmächtigte der Kläger, der Jura-Professor Markus Ogorek von der Universität Köln, argwöhnt: Da würden sich die Betroffenen wohl eher hüten, kritische Forschungsaufträge zu übernehmen, um nicht anzuecken.

Überhaupt kommt der Vertreter von SPD und FDP im Prozess zu dem Schluss, die sogenannte Hochschule sei wohl eher ein Etikettenschwindel. Beuth weist den Vorwurf weit von sich und argumentiert, mit der Zusammenlegung der Ausbildung von Verwaltung und Polizei würden nicht nur „Brüche“ in der bisher auf drei Schulstätten verteilten Unterrichtung vermieden. Wissenschaftliche Arbeit werde ermöglicht und die Rechte für Lehre und Forschung seien in der neuen Hochschule größer als in der bisherigen reinen Verwaltungshochschule.

Der Präsident des Staatsgerichtshofs wies in der Verhandlung darauf hin, dass die Richter nicht die Zweckmäßigkeit der Einrichtung zu bewerten haben, sondern allein die Übereinstimmung mit den Vorgaben der Verfassung. Wie kritisch er das Gesetz sieht, ließ er schon mit der Frage erkennen, ob die Form der Hochschule die geeignete für die Ausbildung von Polizei und Verwaltungskräften sei. Vor allem an der Gleichsetzung von Professoren und Dozenten äußerte er Zweifel.

Auch andere Richter ließen mit ihren Fragen Vorbehalte erkennen. In ihrem Urteil müssen sie zugleich über die Klage von 14 AfD-Landtagsabgeordneten entscheiden, die das Gesetz aus einem ganz anderen Grund für verfassungswidrig halten: Wegen der damaligen Corona-Beschränkungen mit der Verteilung der Parlamentarier auf Plenarsaal, Tribüne und Abgeordnetenbüros sei weder die Beratungsfähigkeit des Landtags gegeben gewesen, noch habe wegen der weitgehenden Nichtzulassung von Besuchern wie vorgeschrieben die Öffentlichkeit der Sitzung bestanden. Die Anwesenheit der Presse und der Livestream im Internet reichten da nicht aus.
 

Medium: Frankfurter Neue Presse
Datum: 13.07.2023
Autor: Gerhard Kneier