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Hat die AfD-nahe Stiftung Anspruch auf Millionen-Förderung vom Bund?

Demokratiefeindliche Bildungsarbeit, gefördert vom Staat – das befürchtet eine Initiative nach der Wiederwahl der AfD in den Bundestag. Denn so wie andere parteinahe Stiftungen will die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Fördermittel vom Bund in Millionenhöhe erhalten. Doch hat sie Anspruch auf die Gelder?

 

Stipendien für Studierende, Vortragsreihen und internationale Netzwerke – die parteinahen Stiftungen sind ein lange bestehender Baustein politischer Bildungsarbeit in Deutschland und vertreten die Bundesrepublik auch im Ausland. Insgesamt sechs solcher Stiftungen erhielten in den vergangenen Jahren Fördermittel vom Bund: von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung bis zur Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linken nahesteht. Bundesinnenministerium, Auswärtiges Amt und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geben in diesem Jahr insgesamt fast 600 Millionen Euro an die Stiftungen, aufgeteilt nach einer Quotenregelung.

Förderung nach einer Legislaturperiode bisher üblich

Auch die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) erhebt Anspruch auf staatliche Förderung. Mit dem Wiedereinzug der AfD-Fraktion in den Bundestag kann es dazu kommen. Auch Kritiker rechnen ihr dafür teils gute Chancen zu. Denn bisher haben parteinahe Stiftungen die Gelder bekommen, wenn die dahinterstehende Partei nach einer Legislaturperiode erneut in den Bundestag eingezogen ist. Das Kriterium geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986 zurück, wonach die jeweilige Stiftung erst dann eine "dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung" repräsentiert und somit förderungsfähig ist.

Die Bildungsstätte Anne Frank kritisiert jedoch eine fehlende Regulierung bei der Geldvergabe für die Stiftungen. Sie fürchtet, dass die DES es nach aktueller Gesetzeslage sehr einfach hätte, die Fördermittel vor Gericht zu erstreiten. "Dann ist es nur eine Frage von sehr kurzer Zeit, innerhalb derer die Finanzierung gestattet werden müsste, weil das derzeit herrschende Gewohnheitsrecht keine andere Möglichkeit zulässt", sagt Katja Böhne MDR AKTUELL. Böhne hat sich für die Bildungsstätte damit auseinandergesetzt, wie der Bund parteinahe Stiftungen fördert und was eine Förderung der DES bedeuten würde. "Das ist aus unserer Sicht eine Katastrophe, die verhindert werden muss, in die wir sehenden Auges hineinschlittern, wenn da nichts passiert."

Denn nicht nur Teile der AfD werden bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch innerhalb der 2017 gegründeten DES selbst finden sich laut Böhne "rassistische, geschichtsrevisionistische, antisemitische, im Grunde demokratiefeindliche Tendenzen". Beispielsweise seien in führenden Funktionen Personen in Erscheinung getreten, die die Maskenpflicht mit dem Judenstern im Nationalsozialismus verglichen und ähnliche Narrative bedienten.

Bisher kein Gesetz zur Finanzierung von Stiftungen

Initiiert von der Bildungsstätte Anne Frank fordern mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter der Zentralrat der Juden, Gewerkschaften und der Paritätische Wohlfahrtsverband deshalb bereits seit Monaten ein Stiftungsgesetz. Unter anderem zitiert die Bildungsstätte dazu den Göttinger Rechtswissenschaftler Hans Michael Heinig: "Nur über eine solche klare Regelung der Vergaberichtlinien können wir effektiv verhindern, dass der Verfassungsstaat Stiftungen finanzieren muss, deren Wirken mit den Zielen demokratischer Bildungsarbeit in Widerspruch steht."

Die Ministerien machen auf Nachfrage keine Angaben, ob und in welcher Höhe Gelder für die DES vorgesehen sind. Das Bundesinnenministerium verweist auf die Zuständigkeit des Bundestags als Haushaltsgesetzgeber. Fest steht aber: Sollten der DES die Fördermittel verwehrt werden, könnte sie dagegen vor Gericht klagen. Dass die DES ohne ein Stiftungsgesetz und allein aufgrund der bisher gängigen Praxis vor Gericht Erfolg hätte, ist selbst unter Juristen allerdings umstritten.

Der Bielefelder Verfassungsrechtler Christoph Gusy äußert gegenüber MDR AKTUELL Zweifel, dass es sich nach derzeitiger Gesetzeslage begründen ließe, der DES Bundesmittel vorzuenthalten. Für rechtlich relevante Unterschiede auch zwischen parteinahen Stiftungen gebe es hohe Hürden. Er plädiert für ein Gesetz, das die Vergabe öffentlicher Gelder an politische Stiftungen klar regelt.

Dagegen verweist der Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Universität Jena auf bestehende Richtlinien der Ministerien, die die Förderung der politischen Stiftungen regeln. Demnach müssten "die Zielsetzungen dieser politischen Stiftungen auch mit dem Grundgesetz vereinbar sein". Als zentrale Merkmale nennt Brenner etwa die Menschenwürde, die Völkerverständigung und das Friedensgebot. Dies wären demnach Punkte, die ein Gericht im Zweifelsfall zu klären hätte. Ähnlich argumentiert auch der Kölner Verfassungsrechtler Markus Ogorek.

Grundsatz der Gleichbehandlung oder wehrhafte Demokratie

Zugunsten der DES spräche den Juristen zufolge insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser besagt, dass niemand aufgrund seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Da die anderen Parteien ihr nahestehende Stiftungen haben, die Steuermittel erhalten, könnte die AfD das für ihre Stiftung geltend machen. "Wenn die DES also – anders als andere parteinahe Stiftungen – von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen würde, bedürfte es hierfür eines entsprechenden sachlichen, die Ungleichbehandlungen rechtfertigenden Grundes", betont Ogorek.

Einen solchen Grund sehen sowohl er als auch Brenner, wenn der DES die Verfassungsfeindlichkeit nachgewiesen würde. "Natürlich wird die AfD versuchen darzulegen, dass ihre Stiftung auf dem Boden des Grundgesetzes steht", erklärt Brenner. "Ob das so ist oder nicht, werden letztlich die Gerichte entscheiden müssen." Schlüsselbegriffe wie Völkerverständigung führt die DES zwar auf ihrer Webseite an. Eine Prüfung würde laut Brenner aber neben den erklärten Zielen der Stiftung auch die praktische Umsetzung unter die Lupe nehmen: "Man wird also ganz genau hinschauen, welche Art von Veranstaltungen stattfinden, welche Referenten da eingeladen sind, welche Zielsetzungen mit Arbeitskreisen, mit Seminaren, mit Vortragsreihen verfolgt werden."

Zu einem möglichen Ergebnis einer solchen Prüfung äußern sich Brenner und Ogorek bewusst im Konjunktiv. Sie verweisen aber auf die Instrumente, die das Grundgesetz schon jetzt bietet, um Verfassungsfeinde in ihre Schranken zu weisen. "Das Modell der wehrhaften Demokratie ist im Grundgesetz an vielen Stellen verankert", erklärt Brenner. Dieses soll verhindern, dass die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln abgeschafft wird. Auch für Ogorek steht fest: "Wenn die DES sich als verfassungsfeindlich erweisen sollte, hätte sie keinen Anspruch auf staatliche Finanzierung."

Stiftungen haben nicht dieselben Privilegien wie Parteien

Ein Punkt, der der DES den Kampf um die staatliche Förderung erschweren dürfte, ist den Verfassungsrechtlern zufolge das Vereinsrecht. Denn dieses gilt auch für parteinahe Stiftungen. Von dem sogenannten Parteienprivileg aus Artikel 21 des Grundgesetzes profitieren demnach ausschließlich die Parteien selbst. "Das bedeutet, dass die Stiftungen nicht dem Schutz der Verfassung unterworfen sind und ihre Aktivitäten daher auch leichter Einschränkungen zugänglich sind", ordnet Brenner ein.

Fazit: Stiftungsgesetz würde mehr Klarheit schaffen

Ein klares Gesetz zur Förderung parteinaher Stiftungen gibt es nicht. Was das konkret im Falle eines Rechtsstreits um Bundesförderung bedeutet, ist selbst unter Experten umstritten. Auf der einen Seite steht die Einschätzung, dass die bisherige Praxis bei der Geldvergabe nicht reichen dürfte, um die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung vor Gericht zum Erfolg zu führen. Vielmehr dürfte die Stiftung demnach eine gründliche Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit erwarten. Sollte sie diese nicht bestehen, könnten ihr die staatlichen Gelder verwehrt bleiben. Dazu reichen nach Experteneinschätzung auch bisherige Verwaltungsrichtlinien sowie das im Grundgesetz verankerte Modell der wehrhaften Demokratie. Demgegenüber steht die Einschätzung, dass die bisher geringe Regulierung bei der Vergabe von Staatsmitteln an politische Stiftungen große Rechtsunsicherheit schafft.

Der Jenaer Verfassungsrechtler Brenner hält zwar Diskussionen um ein weiteres Gesetz in dem Zusammenhang für eine "politische Entscheidung". Die von der Bildungsstätte Anne Frank angestrebte Gesetzesinitiative stößt dennoch auf Zuspruch. Unter anderem der Bielefelder Verfassungsrechtler Gusy spricht sich für ein klares Gesetz aus. Auch der Kölner Verfassungsrechtler Ogorek bezeichnet eine solche gesetzliche Regelung als wünschenswert: "Rechtssichere Kriterien könnten zudem dazu beitragen, vermeintlichen oder tatsächlichen Einfluss aus parteipolitischen Gründen auf neu anzuerkennende parteinahe Stiftungen auszuschließen." Zudem könne ein Gesetz "positive Voraussetzungen" für die staatliche Finanzierung enthalten – "zum Beispiel, dass sich die parteinahen Stiftungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen müssen".

 

Medium: Mitteldeutscher Rundfunk (MDR AKTUELL)
Datum: 02.10.2021
Autorin: Rebecca Nordin Mencke