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Geraldine Rauch beantragt Disziplinarverfahren gegen sich selbst: Warum das taktisch klug ist

Die erste Gremiensitzung, in der es darum ging, ob sie Präsidentin der Technischen Universität Berlin (TUB) bleiben kann, hat Geraldine Rauch überstanden. Gesichert ist ihr Verbleib im Amt damit aber noch nicht.

 

Der Akademische Senat hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch zwar nicht auf das Einbringen eines entsprechenden Abwahlantrags einigen können. Das Gremium hat stattdessen – in Abwesenheit des Präsidiums – ein Meinungsbild zur Rücktrittsfrage erhoben. Das Ergebnis wurde Rauch am späten Mittwochnachmittag mitgeteilt. Sie erhielt daraufhin 24 Stunden Zeit zu entscheiden, ob sie Präsidentin bleiben will oder nicht. Am heutigen Donnerstag wird das Ergebnis des Meinungsbildes öffentlich bekannt gemacht. Dieses Vorgehen des Senats lässt vermuten, dass Rauch derzeit keinen klaren Rückhalt in dem Gremium hat.

Rauch steht in der Kritik, weil sie antisemitische Posts auf der Plattform X mit einem Like markiert hatte. Zu Beginn der Sitzung des Akademischen Senats hatte sie erklärt, bei der Wissenschaftsverwaltung ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt zu haben. Sie wolle sich den Vorwürfen gegen sich selbst stellen und eine objektive Aufklärung ermöglichen, sagte sie. Sie entschuldigte sich außerdem erneut dafür, einen antisemitischen Post im Internet mit einem „Gefällt mir“ markiert zu haben und sprach von „tiefer Reue“.  

Keine klassische Amtspflichtverletzung

Die Wissenschaftsverwaltung des Berliner Senats bestätigte auf Anfrage von Table.Briefings, dass der Antrag auf Durchführung eines Disziplinarverfahrens Mittwochmittag bei der Wissenschaftsverwaltung eingegangen sei. Er werde nun geprüft. Der Ablauf von Disziplinarverfahren sei im Disziplinargesetz des Landes Berlin geregelt. Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung gilt eine Frist von einem Monat. Zur Aufklärung des Sachverhalts sind die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Mögliche Disziplinarmaßnahmen sind unter anderem Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, theoretisch kommt sogar eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht.

Den Schritt Rauchs, ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu beantragen, ordnet der Verwaltungsrechtler Markus Ogorek von der Universität zu Köln als „taktisch klug“ ein. Denn darin prüfe der Dienstherr, ob Verletzungen der Amtspflichten vorliegen und bewertet gegebenenfalls die Schwere. Im Fall Rauch handele es sich jedoch gerade nicht um ein klassisches Dienstvergehen, die Kritik liege zumindest primär auf politischer Ebene. Deshalb sei allenfalls mit der Erteilung eines Verweises zu rechnen. „Wahrscheinlicher ist, dass überhaupt nichts dabei herauskommt“, sagt Ogorek.

Kuratorium tagt am Montag

Er vermutet, dass die zuständigen Unigremien sich gehalten fühlen, das Verfahren zunächst abzuwarten und nicht bereits vollendete Tatsachen zu schaffen. Dafür spreche, dass in der Sitzung am Mittwoch nur ein Meinungsbild im Akademischen Senat eingeholt wurde. „Aufgrund der Stoßrichtung des Disziplinarwesens dürfte am Ende des Verfahrens, das viele Wochen dauern wird, wenig bis nichts stehen, sodass eine Abwahl dann natürlich ,schräg‘ wirken würde.“

Für eine Abwahl Rauchs wäre eine Zweidrittelmehrheit im Senat erforderlich gewesen. Diese hätte dann mit dem gleichen Quorum im Erweiterten Senat und im Kuratorium der TU Berlin bestätigt werden müssen. Das Kuratorium wird sich am Montag, 10. Juni, in einer Sondersitzung mit dem Thema beschäftigen.

Bei den antisemitischen Posts, die Rauch mit einem Like markiert hatte, geht es insbesondere um einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten.
 

Medium: Table.Media
Datum: 06.06.2024
Autorin: Anne Brüning