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Geht die AfD weiter leer aus?

Die Finanzierung der parteinahen Stiftungen ist verfassungswidrig. Nun muss ein Gesetz her. Die Ampel will, dass die AfD-nahe Organisation weiterhin kein Geld kriegt. Das wird schwierig.

 

Die Zeit bis zu den nächsten Haushaltsberatungen drängt. Ohne gesetzliche Grundlage wäre es verfassungswidrig, den parteinahen Stiftungen für 2023 Mittel zur Verfügung zu stellen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) von Ende Februar, wonach ihr Ausschluss von staatlicher Förderung das Recht auf Chancengleichheit verletzt, steht die Ampel-Koalition unter Zugzwang. Wie kann ein verfassungskonformes Stiftungsgesetz aussehen? Und kann der Ampel der Plan gelingen, dennoch die bisherige Praxis fortzusetzen?

Die Fraktionen müssen sich nun umgehend an einen Tisch setzen“, fordert Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. „Öffentliche Mittel dürfen nicht dafür missbraucht werden, Extremisten zu vernetzen.“ Das Gesetz muss nun festlegen, welche Stiftungen nach welchen Kriterien in welcher Höhe gefördert werden. Konkreter wurde Karlsruhe nicht. Das dürfte in den Bundestagsfraktionen Kopfzerbrechen auslösen, bedeutet für diese aber eben auch eine gestalterische Chance.

Es geht um viel Geld und um große Fragen. 2019 hatte der Bund den parteinahen Stiftungen von SPD, Union, Grünen, FDP und Linkspartei stolze 617 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Gelder wurden bislang in intransparenten Hinterzimmergesprächen ausgehandelt. Die der AfD nahestehende DES ging wie in den Jahren zuvor leer aus. Die anderen Fraktionen fürchten eine Finanzierung von Verfassungsfeinden – mehrere Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder der Stiftung stehen rechtsextremen Organisationen nahe. Damit habe der Bundestag die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt, urteilten die Karlsruher Richter. Für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs bedürfe es „eines besonderen Parlamentsgesetzes“. Immerhin ist hier mit dem politischen Wettbewerb eine Grundlage der Demokratie betroffen.

Für das Stiftungsgesetz muss die Ampel einige verfassungsrechtliche Eckpfeiler beachten. So müsste ein mit den Vorgaben aus Karlsruhe konformes Gesetz sicherstellen, dass „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen“ bei der Geldvergabe berücksichtigt werden. Das Verfassungsgericht verweist aber auf eine Ausnahme. Der „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ komme als ein Verfassungsgut in Betracht, das eine Ungleichbehandlung rechtfertige. Genau darauf will sich die Ampel nun wohl stützen, um die DES von den Fördertöpfen auszuschließen. Der Oldenburger Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler hält dies für heikel: „Die Ampel darf das Stiftungsgesetz nicht als AfD-Ausschließungsgesetz formulieren. Ob eine Partei verfassungsfeindlich ist, darf nach dem Grundgesetz ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden.“

Politikwissenschaftler Claus Leggewie ist der Ansicht, dass erst ein Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit der Stiftung selbst eine Verweigerung von Haushaltsmitteln nach sich ziehen könnte. „Darüber hinaus muss die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten politisch-argumentativ geführt werden“, meint der Gießener Professor. „Wenn zu befürchten ist, dass die AfD via DES rechtsradikale Kader ausbilden könnte, belegt dies ein allgemeines Problem der Stiftungen, sofern sie als verdeckte Schulung von Parteinachwuchs wirksam werden.“ Die Frage der Unabhängigkeit der Stiftungen war zentraler Teil der mündlichen Verhandlung des Gerichts im Oktober des vergangenen Jahres. Dabei wurde etwa deutlich, dass einige Parteien offen mit ihren Stipendiaten werben. Im Urteil erkennt das Gericht ein „besonderes Näheverhältis“. Es bestünden allerdings „keine Anhaltspunkte dafür, dass das Distanzgebot nicht beachtet wird“.

Rechtsprofessor Markus Ogorek fordert, dass Stiftungen, die eine Förde- rung haben möchten, aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten müssten. „Die Stiftung will Geld vom Staat, das sie nur wegen ihres Beitrags zur demokratischen Partizipation erhält. Folglich muss sie auch selbst den Nachweis führen, aktiv für unsere Gesellschaftsordnung einzutreten“, sagt der Kölner Universitätslehrer. Sein Vorschlag: Der Bundestagspräsident soll über die Förderungsanträge entscheiden und dafür mit Erkundigungsbefugnissen etwa beim Verfassungsschutz ausgestattet werden. Nun ist der Bundestagspräsident zwar ein wenig dem politischen Streit enthoben, ist aber kein neutraler Akteur. Mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichbehandlung der Parteien hält Ogorek seinen Vorschlag vereinbar. Dabei geht diese auch auf die Idee zurück, dass Parteien nicht in der Lage sein dürfen, ihre Konkurrenz auszuschließen. Allerdings ist der Grundgesetzartikel eben ausschließlich auf Parteien bezogen – aufgrund deren besonderer Funktion in der Demokratie. 

Sophie Schönberger, Rechtsprofessorin in Düsseldorf, sagt: „Es würde keinen Sinn ergeben, die Stiftungen wie Parteien zu behandeln, wenn gleichzeitig klar ist, dass diese voneinander unabhängig sein müssen.“ Es sei verfassungsgemäß, wenn Stiftungen aufgrund einer fehlenden Verfassungstreue nicht gefördert würden, obwohl ihnen nahestehende Parteien nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten sind. Für die Entscheidung über die Anträge auf Stiftungsfinanzierung schlägt sie eine unabhängige Behörde ähnlich des Datenschutzbeauftragten vor.

Der Ball liegt nun bei der Koalition. Johannes Fechner, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Bundestag, sagt: „Steuergelder darf es nur für verfassungstreue politische Stiftungen geben, die auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Die Schwelle der Verweigerung von staatlichen Zuschüssen muss deshalb niedriger als eine vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungswidrigkeit sein.“ Eine Stiftung dürfe kein Geld bekommen, wenn etwa auf Basis von Verfassungsschutzberichten verfassungsfeindliche Bestrebungen feststehen.
 

Medium: WELT AM SONNTAG
Datum: 05.03.2023
Autor: Fredrik Schindler