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Fragwürdige Geheimniskrämerei um Präsidentenwahl

Die Frankfurt University of Applied Sciences hat sich geweigert, die Namen aller Bewerber um das Präsidentenamt zu nennen. Das ist juristisch bedenklich.

 

Wer künftig die Frankfurt University of Applied Sciences leiten wird, hat die Öffentlichkeit in der vergangenen Woche erfahren – nicht aber, wer außer dem Wahlsieger Kai-Oliver Schocke im erweiterten Senat zur Abstimmung gestanden hat. Auf Nachfrage weigerte die Hochschule sich, Angaben zu allen Bewerbern zu machen, über die das Wahlgremium am Mittwoch zu befinden hatte. Auch die Stimmenzahl, die der Wirtschaftsingenieur Schocke auf sich vereinen konnte, behielt die Pressestelle auf Anweisung der Wahlleiterin für sich. Zwar haben Hochschulen in der Frage, wie umfassend sie über die Auswahl ihres Führungspersonals informieren, einigen Spielraum. Ob die Frankfurt University in diesem Fall allerdings angemessen gehandelt hat, ist zumindest zweifelhaft.

Wahlleiterin Andrea Ruppert begründet ihre Entscheidung mit der Personenwahlordnung der Hochschule. Darin heißt es, dass Kandidaten für das Präsidentenamt, die von der Findungskommission als geeignet befunden wurden, „in hochschulöffentlicher Sitzung des erweiterten Senats“ befragt werden sollen. An anderer Stelle der Wahlordnung wird diese Anhörung dann allerdings als „öffentliche Befragung“ bezeichnet, zu der unter Nennung der Namen der Ausgewählten auch „die Öffentlichkeit“ über das Internet einzuladen sei. Spätestens damit würden folglich die Namen der Bewerber bekannt. Im aktuellen Fall hatte die Hochschule zumindest die Presse nicht explizit zur Anhörung eingeladen, weshalb die F.A.Z. nicht darüber berichtet hat. Zum Wahlergebnis selbst heißt es in der Wahlordnung, es sei nach einer Präsidentenwahl „öffentlich bekannt“ zu machen.

Verschweigen der Namen „zum Schutz der Kandidaten“

Ruppert sagt, man habe „zum Schutz der Kandidaten“ und auf deren eigenen Wunsch hin entschieden, ihre Namen nicht außerhalb der Hochschule zu nennen. Nach Worten der Professorin für Wirtschaftsrecht hat dabei auch die Überlegung eine Rolle gespielt, öffentlichen Streit zu vermeiden. 2014 hatte eine Professorin der damaligen Fachhochschule zunächst mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht versucht, eine Verschiebung der Präsidentenwahl zu erzwingen, weil sie nicht zugelassen worden war; den Antrag zog sie später zurück. Damals waren die zur Abstimmung stehenden Kandidaten frühzeitig öffentlich bekannt geworden. Bei der jüngsten Wahl, die Schocke gewann, stand laut Ruppert außer ihm ein weiterer interner Bewerber zur Abstimmung, eine dritte externe Interessentin habe ihre Kandidatur zurückgezogen. Zur vorgeschalteten Anhörung seien sechs Kandidaten eingeladen gewesen.

Das hessische Wissenschaftsministerium verweist darauf, dass die Frankfurt University im Rahmen der Hochschulautonomie das Recht habe, selbst zu bestimmen, inwieweit sie die Öffentlichkeit in eine Präsidentenwahl einbeziehe. Entscheidungsgrundlage sei die Wahlordnung der Hochschule. Im Fall der Präsidentenwahl müsse diese abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Kandidaten und dem Recht der (unterlegenen) Bewerber auf Schutz der Persönlichkeit. Laut Hessischem Pressegesetz könnten Landesbehörden Informationen zurückhalten, wenn sie „persönliche Angelegenheiten einzelner“ beträfen.

„Hochschulpräsidenten sind Personen des öffentlichen Lebens“

Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität Köln, bezweifelt, dass die von der Frankfurt University getroffene Abwägung richtig ist. Das Präsidentenamt sei mit einer Vielzahl von Befugnissen ausgestattet, und Hochschulen hätten für ihre Region eine große Bedeutung. Angesichts dessen spreche wenig dafür, Kandidaten für solch ein Amt ein allzu hohes Schutzinteresse zuzubilligen, meint der frühere Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. „Hochschulpräsidenten sind Personen des öffentlichen Lebens; dies kann auch im Rahmen des vorgelagerten Auswahlprozesses nicht ausgeblendet werden.“

Die Wahlordnung der Frankfurt University interpretiert Ogorek so, dass die Namen der Kandidaten früh der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden sollen – nämlich mit der Einladung zur Anhörung. Dass die Wahlordnung als nächste öffentliche Mitteilung erst die Bekanntgabe des Wahlsiegers vorsehe, schließe eine zwischenzeitliche Information nicht aus. Eine Hochschule müsse bedenken, dass sie als Teil der Gesellschaft zu Transparenz verpflichtet sei. „Die Legitimität des Auswahlprozesses würde daher leiden, wenn man selbst jene Kandidaten, die in die engere Auswahl gelangt sind, noch vor der Öffentlichkeit verbergen wollte.“

Wahlleiterin Ruppert gibt unterdessen zu erkennen, dass sie sich mit der Kritik am Informationsgebaren ihrer Hochschule auseinandersetzen wolle: „Wir werden die Wahlordnung sicherlich noch einmal anpacken.“

 

Medium: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Datum: 19.12.2022
Autor: Sascha Zoske