taz: Herr Ogorek, die Desiderius-Erasmus-Stiftung bekommt zwar nicht sofort Geld, aber die Ampel muss ein Gesetz erlassen, das die Finanzierung von Stiftungen regelt. Es ist eine Niederlage mit Ansage. Sie haben selbst ein solches Gesetz entworfen und gefordert. Wie ordnen Sie das Urteil ein?
Markus Ogorek: Sie haben es gesagt, die Entscheidung war vorhersehbar und vermeidbar. Karlsruhe fordert zu Recht ein Parlamentsgesetz für den Fall, dass eine parteinahe Stiftung von der Finanzierung ausgeschlossen werden soll – denn dies hat erhebliche Auswirkungen auf den demokratischen Wettbewerb zwischen den Parteien. Wir sprechen immerhin über rund 600 Millionen Euro pro Jahr, fast dreimal mehr als die staatliche Parteienfinanzierung. Vor diesem Hintergrund kann das Haushaltsgesetz als Grundlage für die Zuwendungen nicht ausreichen. Es braucht ein Gesetz, das klare und rechtssichere Förderbedingungen aufstellt.
Im Urteil steht: Die Nichtberücksichtigung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung verletzt die grundgesetzlich garantierte Chancengleichheit. Gleichzeitig widerspricht die AfD demokratischen Werten und gilt dem Inlandsgeheimdienst als rechtsextremer Verdachtsfall. Muss die Demokratie jetzt ihre eigenen Feinde finanzieren?
Nein, es kann und darf nicht sein, dass Nicht-Demokraten durch den Staat finanzielle Unterstützung erhalten. Der Ausschluss von Verfassungsfeinden kann dadurch gelingen, dass die Förderung durch ein Gesetz auf solche parteinahen Stiftungen begrenzt wird, die sich aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen. Das ist auch ein wesentlicher Punkt des von meinem Institut und mir vorgelegten Entwurfs.
Eine Lex DES also? Das klingt auch nicht gerade nach Gleichbehandlung.
Ein solches Gesetz wäre gerade keine Lex DES, da die Kriterien für alle Stiftungen gleichermaßen gelten. Die Stiftungen stehen in einer Nähebeziehung zu politischen Parteien, sind aber organisatorisch und personell von ihnen getrennt. Allein der Umstand, dass die AfD – zu Recht – als Verdachtsfall eingestuft wird, kann für einen Ausschluss der DES von der Finanzierung daher nicht genügen. Aber die Darlegungs- und Beweislast liegt nach meinem Gesetzesentwurf bei der Stiftung: Sie muss nachweisen, dass sie aktiv die freiheitlich-demokratische Grundordnung unterstützt. Das ist meines Erachtens auch nicht unzumutbar, denn sie will ja schließlich Geld vom Staat und hat anders als die politischen Parteien selbst ihre Daseinsberechtigung nur deshalb, weil sie in der Gesellschaft die dauerhaften und ins Gewicht fallenden demokratischen Politikströmungen auf andere Weise abbilden soll.
Wie soll das Verfahren konkret aussehen? Mit welchen Kriterien wollen Sie denn demokratiefeindliche Stiftungen heraushalten?
Die zuständige Stelle müsste Erkundigungen einholen: Macht sich die Stiftung extremistische Aussagen der nahestehenden Partei zu eigen? Und welche Verlautbarungen gibt es medial seitens der Repräsentanten der Stiftung selbst? Zudem muss man die Bildungsarbeit der Stiftung in den Blick nehmen: Welche politischen Anschauungen werden in Publikationen sowie Reden vertreten und wird hierbei aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingetreten? Möglich wäre es nach unserem Entwurf, hierzu auch juristische oder politikwissenschaftliche Gutachten in Auftrag zu geben oder Erkenntnisse anderer Stellen einzubeziehen, von den Zentralen für politische Bildung bis zu dem Verfassungsschutzämtern. Wenn es begründete Zweifel gibt, muss man die antragstellende Stiftung damit konfrontieren und Vorhaltungen formulieren. Am Ende muss im Einzelfall entschieden werden: Einer nicht berücksichtigten Stiftung stünde es offen, vor die Verwaltungsgerichte und letztlich vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Medium: taz, die Tageszeitung
Datum: 22.02.2023
Autor: Gareth Joswig (Interview)