Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus- Stiftung (DES) war eindeutig: Der Gesetzgeber darf die parteinahen Stiftungen nicht ohne Stiftungsgesetz finanzieren. Die massiven staatlichen Leistungen wirkten sich „erheblich auf die chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb“ aus, urteilten die Karlsruher Richter im Februar dieses Jahres. Dass bislang der Bundestag über die Finanzierung per Erlass des Haushaltsgesetzes entscheide, genüge nicht.
Die Zeit für ein neues Gesetz drängt: Am 1. Dezember stimmt der Bundestag in dritter Lesung über den Haushalt für das Jahr 2024 ab. Vorgesehen sind rund 700 Millionen Euro für die parteinahen Stiftungen der SPD, Union, Grünen, FDP und Linkspartei. Es wäre verfassungswidrig, wenn diese Gelder ohne gesetzliche Grundlage ausgezahlt würden. Eine neue Regelung muss also her. Die große Frage, die dabei im Raum steht, ist: Soll auch künftig die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung von der Förderung ausgeschlossen werden? Und wenn ja: Wie soll das rechtssicher gehen? Im bisherigen Haushaltsplanentwurf für 2024 sind jedenfalls keine Mittel für diese Stiftung vorgesehen.
Bereits eine Woche nach dem Urteil setzten sich die Ampel-Fraktionen zusammen, berieten sich mit Verfassungsrechtlern und überzeugten ihre Stiftungen von der Notwendigkeit eines Gesetzes. Nun stehen die Fraktionen innerhalb der Ampel nach WELT-Informationen kurz vor einer Einigung. Dringender Wunsch ist aber eine gemeinsame Initiative mit den Fraktionen von CDU/ CSU und Linke. Hierzu finden in den kommenden Tagen und Wochen mehrere Gesprächsrunden statt. Ein Teil des Geldes, die sogenannten Globalzuschüsse für die politische Bildungsarbeit, wurde bislang zwischen den Stiftungen und Haushaltspolitikern in intransparenten Hinterzimmergesprächen verhandelt. Im Jahr 2022 waren dies 148 Millionen von insgesamt 659 Millionen Euro, deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Damit soll nun Schluss sein. Wie konkret die Verteilung der Gelder zwischen den einzelnen Stiftungen geregelt werden soll, wird noch diskutiert.
Klar scheint: Die Desiderius-Erasmus- Stiftung soll im Gesetz nicht erwähnt werden. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts waren die Ampel-Fraktionen hier vorsichtig. Den Eindruck, eine „Lex AfD“ zu schaffen, will man unbedingt vermeiden. In welche Richtung es gehen soll, wurde aber zwischen den Zeilen klar: „Wir wollen verhindern, dass politische Stiftungen Gelder bekommen, die rechtsradikale und demokratiefeindliche Zwecke verfolgen“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Fechner nach der mündlichen Verhandlung des Gerichts im vergangenen Jahr. „Öffentliche Mittel dürfen nicht dafür missbraucht werden, Extremisten zu vernetzen“, hieß es von Grünen- Fraktionsvize Konstantin von Notz nach dem Urteil. Der zuständige FDP-Politiker Stephan Thomae sagte damals, dass „kein Geld aus Bundesmitteln“ dazu Kaderschmieden zu fördern“. Denn die Stiftungen haben Macht: Sie fördern unter anderem begabte Studenten, vergeben Stipendendien für Promotionsvorhaben, bilden zum Teil Nachwuchsjournalisten aus. Auch für Schüler gibt es Angebote. Kritiker befürchten eine „Kulturrevolution von rechtsaußen“, sollte die DES staatliche Gelder erhalten.
Ob die Stiftung rechtssicher von staatlicher Förderung ausgenommen werden kann, ist noch unklar. Denkbar ist, dass im Gesetz Kriterien festgeschrieben werden, nach denen die Stiftungen Gelder erhalten. Festgelegt werden könnte etwa, dass die Stiftungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten müssen. Hier könnte man sich etwa auf das Verfassungsschutzgesetz beziehen, nach dem zu dieser Grundordnung etwa der Ausschluss jeder Gewaltherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte zählen. Denkbar wäre auch ein Verweis auf eine gemeinsame Erklärung der Stiftungen aus dem Jahr 1998, nach der diese „zur Völkerverständigung beizutragen“ haben. Bei der DES bestehen hier große Zweifel. Hingewiesen wird etwa auf Verbindungen von Vorstandsund Kuratoriumsmitgliedern der Stiftung zu rechtsextremen Organisationen wie dem Institut für Staatspolitik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus ein, die ihr nahestehende Stiftung bislang nicht. „Man wird genau prüfen müssen, ob die Desiderius-Erasmus-Stiftung verfassungsfeindliche Aktivitäten selbst verfolgt“, sagt der Jenaer Staatsrechtler Michael Brenner. Ob es rechtlichen Bestand hätte, Stiftungen bereits dann auszuschließen, wenn deren Mutterpartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist fraglich. „Es war immer Maxime in der Rechtssprechung, dass Stiftung und Partei als eigenständige Organisationen anzusehen sind“, so Brenner. Die Stiftungen seien zwar parteinah, aber nicht lediglich eine Verlängerung der Parteien.
Wie genau die Kriterien aussehen, ist noch nicht final entschieden, auch weil die Fraktionen von Union und Linkspartei noch mitsprechen sollen. Die Ampel soll aber eine erste Regelung gefunden haben, von der es aus Ampel-Kreisen heißt, dass sie einer gerichtlichen Überprüfung standhalten kann. Denn dass die AfD erneut vor Gericht ziehen wird, sollte die ihr nahestehende Stiftung weiterhin keine Gelder erhalten, davon sind alle Beteiligten überzeugt. Auch deshalb ist das Interesse an einer fraktionsübergreifenden Regelung so groß.
„Es kann nicht sein, dass Antidemokraten vom Staat finanziert werden“, sagt der Rechtsprofessor Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln. Für alle Stiftungen bräuchte es die gleichen Kriterien. Er schlägt vor, den aktiven Nachweis der Verfassungstreue zu verlangen. „Immerhin wollen die Stiftungen vom Staat erhebliche Summen erhalten.“ Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg, hielte es hingegen für eine „verfassungswidrige Verletzung der Chancengleichheit der Parteien“, eine Stiftung von der Finanzierung auszuschließen. „Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten oder von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen worden ist, darf sie nicht im politischen Wettbewerb benachteiligt werden.“
Eine wichtige Frage wird sein, wer darüber entscheiden wird, ob eine Stiftung die vorgegebenen Kriterien für die staatliche Finanzierung erfüllt. Die Rechtsprofessorin Sophie Schönberger, die während des Verfahrens in Karlsruhe den Bundestag als Prozessbevollmächtigte vertreten hatte, hatte im März eine unabhängige Behörde ähnlich des Datenschutzbeauftragten vorgeschlagen. „Für diese große Lösung bräuchte man viel Energie, die gerade unter Zeitdruck schwer einzusetzen ist“, sagte sie damals WELT. Genau an diesem Zeitdruck könnte dieser Vorschlag nun scheitern. Die Schaffung einer unabhängigen Instanz wäre langwierig. Daher ist es möglich, dass das Bundesinnenministerium diesbezüglich die Kontrolle übernimmt – zumindest vorerst. Nach einem Jahr könnte diese Lösung dann evaluiert werden, möglicherweise schafft man dann eine unabhängige Behörde.
Gegen diese Lösung gibt es auch Vorbehalte, schließlich ist das Ministerium parteipolitisch nicht unabhängig. Verfassungsrechtler Boehme-Neßler hat hier starke Bedenken. „Die politischen Konkurrenten sollen nicht über die Finanzierung einer Partei entscheiden“, sagt er. Dies stehe laut Grundgesetz nur dem Verfassungsgericht zu. „Die Gefahr des Missbrauchs ist dem Grundgesetz viel zu groß.“ Sein Fachkollege Ogorek sagt, dass die mögliche Rolle des Innenministeriums als Entscheidungsinstanz rechtlich zulässig sein dürfte, die „parteipolitisch ‚buntere‘ Bundestagsverwaltung“ aber für die Prüfung von Förderanträgen geeigneter sei. „Mit der Wahl des Innenministeriums könnte bei manchen Bürgern der – in der Sache falsche – Eindruck erweckt werden, die Regierungskoalition bestimme künftig über Stiftungsfinanzierungen.“
Medium: DIE WELT
Datum: 14.09.2023
Autoren: Frederik Schindler und Ricarda Breyton