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"Die Goethe-Universität hat rechtmäßig gehandelt"

Nach der Panne bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen an der Uni Frankfurt wurde eine Lösung gefunden, die nicht allen Betroffenen gefällt. Der Kölner Verwaltungsjurist Markus Ogorek hält sie dennoch für vertretbar.

 

Frankfurt/Köln: Herr Ogorek, die Goethe-Universität hatte versehentlich 282 Studienplätze in Medizin und Zahnmedizin zu viel gemeldet. Nachdem die Zulassungen zunächst zurückgezogen worden waren, können nun doch die meisten ihr Wunschfach studieren – einige wenige im Fach Medizin aber nicht. Haben diese einen Studienplatzanspruch?

Davon gehe ich nicht aus. Manche der Betroffenen vermuten, ihre Berufsfreiheit sei verletzt worden. Dieses Recht verschafft jedoch dem Einzelnen keinen Anspruch auf Schaffung eines Studienplatzes, sondern sichert nur die gerechte Teilhabe an vorhandenen Bildungsangeboten ab.

Die Betroffenen könnten argumentieren, mit der Zulassung – auch wenn sie auf einer falschen Platzkalkulation beruhte – sei ihnen die Eignung für ein Medizinstudium bescheinigt worden, deshalb hätten sie Anspruch auf einen Platz.

Ja, aber die Zulassungsbescheide waren rechtswidrig – die betreffenden Studienplätze gab es nämlich gar nicht, und nur hierauf kommt es an. Natürlich ist es grundsätzlich möglich, rechtswidrige Verwaltungsakte zurückzunehmen. Zwar könnte man argumentieren, dass bei den Betroffenen ein Vertrauenstatbestand entstanden sei, denn sie haben sich darauf eingestellt, bald in Frankfurt zu studieren. Die Verwaltung darf die Situation von jungen Menschen, die sich in einer so belastenden Lage befinden, nicht ausblenden. Ich glaube aber nicht, dass die Goethe-Universität angesichts dessen rechtlich an der Aufhebung der Zulassungsbescheide gehindert war. Vielmehr stand sie in der Pflicht, ordentlich nachzubessern.

Jene, die sich jetzt beschweren, sind Bewerber aus der sogenannten Angebotsgruppe: Ihnen war außer dem Medizinplatz in Frankfurt noch ein Platz in einem anderen Fach angeboten worden. Mancher von ihnen sagt, er hätte lieber an einem Nachrückverfahren für Medizin teilgenommen, als jetzt etwas anderes zu studieren.

Diesen Personen lag objektiv immer nur das Ersatzangebot vor, da die Zusage für Medizin aus Frankfurt ja nicht rechtmäßig war. Indem sie hierauf verwiesen werden, stehen sie so, wie es bei einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren gewesen wäre. Formal lässt sich das Prozedere also nicht kritisieren. Da viele, die kein zweites Fach angegeben hatten, im Nachrückverfahren allerdings auch aufgrund der situationsbedingt geschaffenen Zusatzplätze in Medizin ihr Wunschstudium aufnehmen konnten, lässt sich darüber streiten, ob die Goethe-Universität der Angebotsgruppe eine Wahlmöglichkeit hätte einräumen sollen – nämlich das Ersatzangebot ausschlagen und am Nachrückverfahren teilnehmen zu dürfen. Ich hätte das fachlich für gut vorstellbar gehalten, juristisch lag die Entscheidung jedoch im Ermessen der Goethe-Universität, die sich anders entschieden hat.

Haben Sie den Eindruck, dass alle Beteiligten – Universitäten, Wissenschaftsverwaltung, Kultusministerkonferenz – ihr Möglichstes getan haben, um den Fehler zu reparieren?

Wir haben es mit einer wirklich schwierigen Situation zu tun, in der unter enormem Zeitdruck akzeptable Auswege zu finden waren. Angesichts dessen muss man der Goethe-Universität und allen staatlichen Stellen Hochachtung zollen. Ohne die Unterstützung anderer Universitäten, vor allem der Gießener, wäre man kaum zu dieser vergleichsweise glimpflichen Lösung gelangt, bei der ein Großteil der Betroffenen doch noch Medizin studieren kann.

Das heißt, Sie haben Verständnis dafür, dass die Goethe-Universität und das hessische Wissenschaftsministerium dieses Lösungspaket nicht noch einmal aufschnüren wollen, um den verbliebenen Betroffenen doch zu einem Medizinstudienplatz zu verhelfen?

Man muss das Paket nicht neu aufschnüren, denn die Universität hat rechtmäßig gehandelt. Jede Änderung würde unvorhersehbare Risiken bergen, was besonders für Unzufriedene aus der Angebotsgruppe gilt: Erhielten diese wenigen Betroffenen nun einen Medizinstudienplatz, könnten alle anderen Angehörigen ihrer Gruppe, die sich bereits mit den Verweis auf das Ersatzfach abgefunden haben, zu Recht aufbegehren. Ebenso wenig schiene es mir zielführend, ihnen einen Bonus einzuräumen, wenn sie sich noch einmal um einen Medizinstudienplatz bewerben. Dann könnten andere auf Gleichbehandlung pochen und fragen: Was kann ich dafür, dass im Vorjahr ein Fehler geschehen ist? Ein solches Vorgehen wäre rechtlich sicherlich unzulässig.
 

Medium: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Datum: 08.11.2022
Autor: Sascha Zoske (Interview)