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"Bonner Fall ist außergewöhnlich"

Prof. Dr. Markus Ogorek ist Verwaltungsexperte an der Uni Köln. Klaus Müller sprach mit ihm über die Folgen des Urteils Dieckmann/Hübner. Der Experte sieht vor allem eine Betonung der Sorgfaltspflicht im Amt.

 

Herr Ogorek, hat es jemals ein derartiges Urteil gegen eine Verwaltungsspitze in Deutschland gegeben?
Es ist wiederholt vorgekommen, dass Kommunen ihre Spitzenbeamten gerichtlich in Anspruch genommen haben. Dennoch ist der Bonner Fall außergewöhnlich. Immerhin betrifft er direkt die kommunale Verwaltungsspitze und hat in der Sache ein politisches Prestigeprojekt zum Gegenstand. Es steht nicht der Vorwurf privater Bereicherung im Raum. Auch die enorme Schadenshöhe ist nicht alltäglich. Grundsätzlich gilt allerdings, dass staatliche Stellen eher zögerlich sind, ihre Repräsentanten in Regress zu nehmen.

Ist das Urteil aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
Die Entscheidung ruft in Erinnerung, dass staatliche Akteure sorgsam mit Steuergeldern umgehen müssen und auch besonderen Sorgfaltspflichten unterliegen. Klar ist aber auch, dass jede große Entscheidung ein wirtschaftliches Risiko beinhaltet. Allein die Tatsache, dass ein Schaden entsteht, kann und darf daher nicht zur Haftung der hinter den Ämtern stehenden Privatpersonen führen. Auch wenn ein Schaden entstanden ist, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass die Verantwortungsträger pflichtwidrig gehandelt haben. Diese Bewertung fällt letzten Endes den Gerichten zu.

Halten Sie es für sinnvoll, das Urteil anzufechten?
Ob den Beklagten der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, ist eine Wertungsfrage, auf die es keine abstrakte Antwort gibt. Vielmehr ist es Aufgabe der Richter, aufgrund der festgestellten Tatsachen hier zu einer Entscheidung zu kommen, ob das Handeln der früheren Verwaltungsspitze die erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ, und dies auch noch in einem besonders schweren Maße, wie es das Gesetz erfordert. Deshalb kann es sinnvoll sein, die nächsthöhere Instanz anzurufen, auch um gegebenenfalls neue Wertungen durch eine entsprechende Prozessstrategie erzielen zu können.

Wo verläuft die Grenze zwischen Fahrlässigkeit, Unwissenheit und Machtlosigkeit?
Paragraph 48 des Beamtenstatusgesetzes sagt, dass Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen ihre Dienstpflichten verstoßen, für die daraus folgenden Schäden einstehen müssen. Eine vorsätzliche, also bewusste und gewollte Schädigung durch die eigenen Beamten wird Kommunen kaum widerfahren und stand auch in diesem Verfahren nicht in Rede. Die Abgrenzung der einfachen Fahrlässigkeit, also des Außerachtlassens der erforderlichen Sorgfalt, von der groben Fahrlässigkeit ist keineswegs banal und für die Haftung von entscheidender Bedeutung. Im Verfahren kam es also nicht etwa darauf an, ob die Beklagten Sorgfaltspflichten verletzt haben, sondern, ob sie dies in besonders schwerem Maße getan haben.

Brauchen Spitzenbeamte künftig eine Haftpflichtversicherung?
Spitzenbeamte wie die Oberbürgermeister sind mit Managern in der privaten Wirtschaft vergleichbar. Ebenso wie diese durch „D&O-Versicherungen“ geschützt werden, sollten daher auch Spitzenbeamte entsprechenden Versicherungsschutz nutzen.

 

Medium: Kölnische Rundschau
Datum: 12.09.2020
Autor: Klaus Müller