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AfD-Verbot: So soll es mit dem Bundestagsantrag weitergehen

Der Deutsche Bundestag wird sich voraussichtlich im Oktober oder November mit einem Antrag zur Eröffnung eines AfD-Verbotsverfahrens befassen. Eine Gruppe von Abgeordneten hat einen entsprechenden Gruppenantrag ausgearbeitet. Es ist aber noch unklar, ob er Chancen auf eine Mehrheit hat.

 

Berlin. Die Befürworter eines AfD-Verbots im Deutschen Bundestag wollen in den nächsten Wochen einen entsprechenden Gruppenantrag in das Parlament einbringen. Damit soll beim Bundesverfassungsgericht die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die Rechtsaußenpartei beantragt werden. Die Zeitung „Die Welt“ hatte am Sonntag zuerst über den Antrag berichtet. Ein Entwurf des Antrags vom 20. Juli dieses Jahres liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor. Nach RND-Informationen handelt es sich bei diesem auch anderen Medien vorliegenden Text jedoch nicht um den mittlerweile finalisierten Antrag, der noch in einigen Punkten überarbeitet und aktualisiert wurde. „Die AfD ist eine rassistische, antisemitische und rechtsextreme Partei. Sie wendet sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, heißt es im Entwurf. Die Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot würden durch die AfD, ihre führenden Funktionäre sowie zahlreiche Mandatsträger und Mitglieder mittlerweile unverhohlen infrage gestellt.

Um einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag in den Bundestag einbringen zu können, muss dieser von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten unterstützt werden – das sind aktuell 37 Abgeordnete. Die Initiatorinnen und Initiatoren des Antrags für ein AfD-Verbotsverfahren rund um den CDU-Abgeordneten und früheren Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, sind sich nach RND-Informationen sicher, mehr als die Mindestzahl an Unterstützern zusammenzuhaben. Sie stammen aus den Fraktionen der Grünen, SPD und CDU/CSU sowie aus der Gruppe der Linken. Die Initiatoren haben hinter den Kulissen seit vielen Monaten an dem Antrag gearbeitet.

Diskussionen und Abstimmung in den nächsten Sitzungswochen

Im nächsten Schritt soll er nun am 8. Oktober in den Fraktionen und der Linken-Gruppe vorgestellt und besprochen werden. Danach soll er in einer der beiden darauffolgenden Sitzungswochen in den Bundestag eingebracht und zur Diskussion und Abstimmung gestellt werden. In Betracht käme die Woche ab dem 14. Oktober, oder jene ab dem 4. November. Bislang ist unklar, ob der Gruppenantrag eine Mehrheit bekommen kann. Am größten dürfte die Zustimmung bei Grünen und Linken ausfallen. In der SPD-Fraktion gibt es einige Befürworter, aber auch erklärte Gegner eines Verbotsantrags. In der CDU/CSU-Fraktion handelte es sich bei den Verbotsbefürwortern um Marco Wanderwitz bislang um eine Minderheit. Der Erfolg des Antrags hängt deshalb davon ab, ob seine Initiatoren in den nächsten Wochen genügend Parteifreunde von einer Unterstützung überzeugen können.

Sollte der Antrag eine Mehrheit im Bundestag finden, würde das Parlament beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens beantragen. Der Antrag beinhaltet auch den Hilfsantrag, die AfD, falls ein Verbot nicht möglich ist, zumindest von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Im Antragsentwurf vom Juli verweisen die Abgeordneten zur Begründung unter anderem darauf, dass die AfD die „Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen oder solcher mit nicht heteronormativer Sexualität“ zugunsten einer „völkisch-nationalen Stärkung eines vermeintlichen Deutschtums“ beschränken oder beseitigen wolle. Sie sehen sich durch das Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts vom Mai bestärkt, das die Beobachtung der Partei als Rechtsextremismus-Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz für rechtmäßig erklärt hatte.

Die Risiken eines Verbotsverfahrens

Der Staatsrechtler und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, Markus Ogorek, warnte vor dem möglichen Scheitern eines Verbotsverfahrens. „Es gibt durchaus Argumente, die für ein Verbot der AfD sprechen. So lässt sich etwa nicht bestreiten, dass die Partei durch ihre Wahlerfolge die notwendige ‚Potenzialität‘ im Sinne der Verbotsrechtsprechung besitzt“, sagte Ogorek dem RND. Damit ist gemeint, dass die AfD über Möglichkeiten verfügt, ihre politischen Ziele auch durchzusetzen. „Zudem hat das Bundesverfassungsgericht seit der zweiten Entscheidung zum NPD-Verbot wohl seine Anforderungen gesenkt: Ein ‚planvolles‘ Vorgehen scheint offenbar auszureichen und ein schwieriger nachzuweisendes ‚aggressiv-kämpferisches‘ Verhalten nicht mehr zwingend gefordert“, sagte Ogorek weiter. Dennoch sei er aus rechtswissenschaftlicher Sicht nicht von dieser Initiative überzeugt.

„Der zentrale Punkt bleibt die Frage, ob die Partei in ihrer Breite verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Hier sehe ich die entscheidende Schwäche des Vorhabens: Das Bundesverfassungsgericht muss nach seiner eigenen Rechtsprechung nicht weniger als überzeugt davon sein, dass die AfD in ihrer Gesamtheit verfassungsfeindlich ist. Die AfD aber hat es über die Jahre hinweg gelernt, ihre offiziellen Programme und Beschlüsse so zu gestalten, dass sie ganz überwiegend innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen bleiben“, erklärte Ogorek.

Zwar gebe es zahllose extremistische Äußerungen einzelner Parteimitglieder und auch führender Akteure. Angesichts der Größe der Partei bleibe aber unklar, ob diese für ein Verbot ausreichen. „Dass den Antragstellern dieser Unterschied vielleicht nicht ganz klar geworden ist, legen ihre Verweise auf das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster nahe, das die Verdachtsfalleinstufung der AfD unbeanstandet gelassen hatte“, sagte der Rechtswissenschaftler. Denn im Rahmen des Verfassungsschutzrechts würden lediglich „tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD verlangt, was sich von der Schwelle im Verbotsverfahren gravierend unterscheide. Ein Verbotsverfahren sei deshalb äußerst riskant.

Richterbund: Bundesländer sollten ihre Verfassungen prüfen

Der Deutsche Richterbund (DRB) forderte unterdessen ein sofortiges Handeln der Bundesländer. „Der jüngste Eklat in Thüringen zeigt, wie skrupellos und gezielt die AfD jede Chance ergreifen wird, um die Demokratie verächtlich zu machen, unabhängige Gerichte zu diskreditieren und den Rechtsstaat nach dem Vorbild der PiS in Polen zu blockieren“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem RND. „Das Thüringer Verfassungsgericht hat die AfD in die Schranken des Rechts verwiesen. Alle Bundesländer sollten die Ereignisse von Erfurt jetzt zum Anlass nehmen, ihre Landesverfassungen und Justizgesetze auf mögliche Schwachstellen zu überprüfen“, forderte Rebehn. Die Unabhängigkeit der Gerichte müsse „als Bollwerk der Demokratie effektiv geschützt sein, damit Extremisten und Verfassungsfeinde in Deutschland keine Chance haben.“
 

Medium: RedaktionsNetzwerk Deutschland
Datum: 30.09.2024
Autor: Felix Huesmann